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987. Nacht
Um jene Zeit ließ der Vater der Prinzessin den Sohn des
Königs abholen, um die Hochzeit zu feiern. Er sollte sodann mit ihr ins Land
seines Vaters zurückkehren. Der König ließ seinen Sohn abreisen, und gab ihm
seinen Wesir nebst bedeutenden Geschenken, Geldern und Kostbarkeiten mit. Als
sie unterwegs waren, erinnerte sich der Wesir, dass unsern von der Straße eine
Quelle sich befinde, welche unter dem Namen Sachra1)
bekannt sei. Wenige Leute kannten sie. Ihre Eigenschaften indessen waren sehr
sonderbar. Wenn nämlich ein Mann aus ihr trank, so wurde er alsbald zu einem
Weib. In der Nähe dieser Quelle ließ er seine Begleiter Halt machen. Er selbst
aber bestieg sein schönstes Ross, und sprach zum Sohn des Königs: „Reise
mit mir. Wir wollen uns in diesem Tal umsehen.“ Sie entfernten sich hierauf
von den Begleitern, und der Prinz, weit entfernt, zu ahnen, was der Wesir mit
ihm vor hatte, entfernte sich immer weiter mit ihm, bis er Durst bekam. Da sagte
er es dem Wesir, und dieser sprach: „So steige ab, und trinke von dieser
Quelle!“ Bei welcher sie sich gerade sehr nahe befanden. Da ihn der Durst
sehr ermüdet hatte, stieg er sogleich ab, und trank in großen Zügen. – Aber –
siehe! Da wurde er plötzlich in eine Frau verwandelt. Als der Prinz es merkte,
weinte er, und fiel vor Schrecken in Ohnmacht. Da näherte sich ihm der Wesir,
und fragte ihn: „Was ihm widerfahren wäre, und warum er weinte? Nachdem
ihn der Prinz von der Ursache seines Schmerzes benachrichtigt hatte, sprach der
Wesir: „Gott behüte Dich vor diesem Unglück. Das ist ein grausames
Geschick. So nahe an dem Besitz einer so schönen Prinzessin zu sein, als die
ist, zu der wir uns jetzt begeben, um sie zu heiraten, und nun plötzlich in
diesen Zustand versetzt zu sein! Was ist nun zu tun? Was willst Du mir
befehlen?“ Da sprach der Prinz: „Kehre zu meinem Vater zurück, und
benachrichtige ihn von meinem Unfall. Ich will diesen Ort nicht eher verlassen,
als bis mich Gott von meinem Missgeschick befreit haben wird. Lieber wollte ich
hier sterben.“ Er gab zugleich dem Wesir einen Brief an seinen Vater mit,
und der Wesir entfernte sich nun voll Freude, seinen Zweck erreicht zu haben.
Als der Wesir nach Hause gekommen war, und den König von dem Unglück seines
Sohnes benachrichtigt hatte, wurde der König sehr bestürzt, und schickte
sogleich eine Aufforderung an alle ärzte und Weisen, irgend ein Mittel
aufzufinden, wodurch seinem Sohn seine vorige Gestalt wiedergegeben werden
könne. Leider aber fand sich niemand, der es unternehmen wollte und konnte. Das
war ein großer Schmerz für den König. Der Wesir schickte seinerseits zum
Vetter der Prinzessin, um ihn von dem glücklichen Erfolg seines Unternehmens zu
benachrichtigen, dass er ihn nämlich hätte aus der Quelle trinken lassen.
Dieser freute sich, schöpfte nun Hoffnung, seine Nichte noch zu besitzen, und
bezeigte dem Wesir seinen Dank.
Was unterdessen den Sohn des Königs anbetrifft, so hatte
er drei Tage an der Quelle verweilt, ohne zu essen und zu trinken, und sein
Pferd weidete das Gras umher ab. Am vierten Tag aber traf ein Reiter auf einem
gelben Pferd bei ihm ein. „Wer bist Du? Und wer hat Dich hierher
gebracht?“ War die erste Frage desselben. Der Prinz beantwortete sie ihm,
und fügte hinzu, dass er auf dem Weg wäre, seine Braut abzuholen, dass ihn
aber sein Wesir von dieser quelle habe trinken lassen, und dass ihm darauf
dieses Unglück widerfahren wäre. Der fremde Ritter empfand inniges Mitleid mit
seinem Zustand. „Mit Willen,“ sagte er darauf zu ihm, „hat Dich
der Wesir Deines Vaters in dieses Unglück gestürzt, denn unter Tausenden weiß
kaum eine rum diese Quelle. Doch fasse Mut, und komme mit mir.“ sie
entfernten sich nun, und der Ritter sagte zum Prinzen: „Du bist diese Nacht
mein Gast.“ – „habe die Güte, mir zu sagen, wer Du bist?“,
fragte der Prinz. – „Ich bin,“ erwiderte jener, „der Sohn eines
Königs der Geister. Beruhige Dein Herz, und verscheuche Deinen Kummer, denn von
mir sollst Du Deine Rettung erhalten.“ als sie noch ein Stück geritten
waren, fragte er ihn: „Prinz, wie viel Weg, glaubst Du wohl, dass wir
zurückgelegt haben?“ – „Eine Tagesreise ungefähr,“ war seine
Antwort. – „Der schnellste Reiter,“ erwiderte jener, „würde
diesen Weg in dem Zeitraum eines Jahres bei Tag und bei Nacht nicht
zurückgelegt haben.“ – „Ach, wie werde ich zu meiner Familie
zurückkommen!“, sagte hierauf der Prinz. – „Das ist nicht Deine
Sorge,“ antwortete der andere, „sondern, sobald du wieder hergestellt
bist, sollst Du in kurzer Frist wieder bei den Deinigen anlangen.“ dieses
erfreute und beruhigte den Prinzen. Er dankte ihm dafür, und sie setzten ihre
Reise fort bis zum Morgen, wo sie sich auf einem schönen Erdstrich, der dem Paradies
glich, befanden. Hier stiegen sie ab, und der Sohn des Königs der Geister nahm
den Prinzen bei der hand, und führte ihn in ein prächtiges Schloss. Hier sah
er sich von Prunk und Glanz umgeben, woraus er abnahm, wie groß die Macht jenes
Königs sein müsse. Den ganzen Tag brachten sie mit Essen, Trinken und Scherzen
zu, bis die Nacht anbrach. Nun bestiegen sie wieder ihre Rosse, eilten schnell
vorwärts, und am anderen Morgen kamen sie in einer schauerlichen Gegen an.
Alles, was sie da erblickten, war schwarz. Erde und Steine hatten die Farbe der
Trauer. Es schein die Vorhalle der Hölle zu sein. „Wie heißt dieses
Land?“, fragte der Prinz zurückbebend. – „Es ist,“ sagte jener
ganz kaltblütig, „unter dem Namen des schwarzen oder des Unglückslandes
bekannt. Sein Beherrscher ist ein Geist, und heißt Dsoulganohein2).
Niemand darf sein Land ohne seine Erlaubnis betreten. Bleibe also hier, und
warte, bis ich sie für Dich ausgewirkt habe. Der Prinz blieb also an diesem
Ort, wo der Sohn des Königs der Geister ihn nach einer kurzen Weile abholte,
und ihn zu einer Quelle führte, die aus einem schwarzen Felsen hervor floss.
„Von dieser Quelle trinke,“ sagte jetzt der Sohn des Geisterkönigs zu
ihm. Dieses tat er denn auch, und zur Stelle wurde er mit der Erlaubnis Gottes,
des Erhabenen, wieder zum Mann. Da freute sich der Prinz außerordentlich,
dankte dem Ritter, warf sich ihm zu Füßen, und küsste seine Hand. „O
mein Herr,“ sagte er dann zu ihm, „wie heißt diese
Segensquelle?“ – „Sie heißt die Quelle der Frauen,“ erwiderte
dieser, „und jede Frau, die davon trinkt, wird zum Man. Preise Du Gott, und
danke ihm, dass Du von Deinem Unglück befreit bist.“