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973. Nacht

Das Mädchen befolgte den Befehl der Prinzessin, und ging
zu der Frau hin. Als sie eintrat, fand sie dieselbe in weit schönerem und
köstlicherem Schmuck, als gewöhnlich. Sie grüßte sie, und fragte sie
sogleich: „Woher hast Du dieses schöne Gewand und diesen Schmuck,
desgleichen man nichts schöneres finden kann?“ – „O Schafyke,“
antwortete jene, „Du glaubst wohl, dass man nur bei Deiner Fürstin etwas
Schönes und Gutes sehen kann. Bei Gott, ich habe mich sehr bestrebt, ihr zu
dienen, dennoch aber hat sie mich auf eine schändliche Art behandelt, so, dass
sie sogar den Verschnittenen befahl, mich zu schlagen. Sage ihr nunmehr, dass
derjenige, für den ich mich bei ihr verwendet hatte, mich in die Lage gesetzt
hat, ihrer entbehren zu können, und ihren bösen Launen für immer zu entgehen.
Er hat mir viel schöne Kleider verehrt, hat mir zweihundertundfünfzig
Goldstücke gegeben, welche Summe er mir für alle Jahre festgesetzt hat, und
hat mir verboten, irgend jemandem zu dienen.“ Da sprach Schafyke:
„Aber die Fürstin hat Dich in einer Angelegenheit sehr nötig. Komm also
mit mir, ich bringe Dich nachher in Frieden wieder zurück.“ Jene
antwortete indessen: „Ihr Schloss ist mir von nun an verboten, und nie
werde ich es wieder betreten. Gott sei ewig gepriesen, dass ich nun ihrer
entbehren kann!“ Schafyke ging zurück, und überbrachte der Fürstin die
Antwort ihrer ehemaligen Dienerin. Auch erzählte sie ihr von dem Wohlstand,
worin sie dieselbe angetroffen hätte, und die Fürstin musste bekennen, dass
sie gegen diese Frau den Anstand verletzt hatte, und bereute nun, aber zu spät,
ihre übereilung. So verbrachte sie mehrere Tage, während welcher Zeit das
Feuer der Sehnsucht immer tiefer in ihr Herz drang.

Was unterdessen den Prinzen Abbaas betrifft, so war er bei
seinem Vetter Okeel zwanzig Tage geblieben, worauf er sich zur Reise nach Bagdad
anschickte. Vorher aber ließ er die Beute, die er von dem König Sohair gemacht
hatte, vorbringen, und teilte sie mit seinem Neffen. Als er ungefähr zwei
Tagereisen von Bagdad entfernt war, befahl er seinem Diener Amer, sein bestes
Pferd zu besteigen, und ihm mit der Karawane voranzugehen, welche die Beute
fortschaffte. Diesen Befehl befolgte jener, und langte bei Anbruch des Tages in
Bagdad an. Da blieb selbst kein Kind zu Hause, und kein Greis in seiner Wohnung.
Sondern alle eilten diesem prunkvollen Zug von erbeuteten Schätzen, Lasttieren
und Sklavinnen entgegen. Abbaas, der diesem Zug folgte, wurde bald erkannt, und
die Leute waren trunken vor Freude, ihn wieder zu sehen. Bald gelangte auch zum
König die Nachricht, dass Abbaas, der junge Mann, der von ihm weggereist war,
nunmehr mit unendlichen Schätzen, Geschenken, Sklaven und Truppen einziehe. Er
selber sei noch vor der Stadt, Amer aber, sein Diener, wäre so eben
eingerückt, um für seinen Herrn Wohnungen einzurichten. Sobald der König das
hörte, schickte er sogleich zu Amer, und ließ ihn vor sich fordern. Dieser
erschien alsbald vor dem König, neigte sich zur Erde, und bezeigte dem König
seine Ehrfurcht. Dieser befahl ihm, aufzustehen, und befragte ihn wegen Abbaas.
Amer benachrichtigte ihn auf das genaueste von all dem, was vorgefallen war, und
dass Abbaas am andern Morgen selbst seinen Einzug an der Spitze von fünftausend
Mann halten würde. Der König befahl nun sogleich, dass die Gebäude mit
kostbaren Teppichen behangen würden, und dass wegen der Ankunft des Abbaas
niemand anders als in festlichen Kleidern ausgehen solle. Zugleich sandte er dem
König Asys die frohe Nachricht von der Ankunft seines Sohnes Abbaas, und
benachrichtigte ihn umständlich von allem, was er von Amer gehört hatte.
Sobald der König Asys die Nachricht von der Ankunft seines Sohnes vernahm,
freute er sich außerordentlich. Er bestieg sogleich sein Ross, alle seine
Soldaten mussten aufsitzen, die Pauken wurden geschlagen, und die schönste
kriegerische Musik ertönte von allen Seiten, so dass die Erde erbebte, und
dieser Tag für Bagdad ein höchst merkwürdiger Tag war. Da Maria nun alles
dies sah, nahm ihre Reue immer mehr zu. Die Truppen wurden nun alle befehligt,
dem Heer des Abbaas entgegen zu gehen. Dieser war in einer Gegend gelagert,
welche die grüne Insel hieß. Als er nun die Truppen immer näher kommen sah,
betrachtete er sie genauer, und sprach zu seinen Gefährten: „Ich sehe
unter diesen Haufen von Kriegern eine Menge verschiedener Fahnen. Die große
grüne Fahne aber erkenne ich für diejenige meines Vaters, die immer in seiner
Nähe ist. Gewiss ist er ausgezogen, um mich zu suchen.“ Endlich kamen sie
noch näher, und er erkannte sie nun ganz genau. Sie stiegen beiderseits von den
Pferden, und er wurde von allen begrüßt und bewillkommnet. So wie er aber zu
seinem Vater kam, umarmten sie sich, und konnten vor Freuden kaum sprechen.
Abbaas befahl sodann seinen Leuten, aufzusitzen, seine Leibmamelucken umgaben
ihn, und so zogen sie in Bagdad mit der größten Pracht ein. Die Frau des
Kaufmanns war ebenfalls mit den übrigen aus der Stadt gegangen, um diese Pracht
zu sehen. Als sie nun den Abbaas erblickte, und seine Schönheit, den Glanz
seines Heeres, so wie auch die erbeuteten Schätze und Sklaven bemerkte, sagte
sie folgende Verse her:

„Abbaas kommt nun von Okeel zurück mit erbeuteten
Schätzen und Reichtümern.
Zahlreiche Pferde führt er mich sich, gleich Opfertieren kostbar behangen, von
deren Hufen die Erde erdröhnte.
Auf ihren Sätteln sind Männer, welche die Pauken schlagen, deren Wirbeln,
vereinigt mit dem Wiehern der Pferde, den Verstand betäubt.
Wer sich ihnen feindlich naht, denen kommt der Tod entgegen von den Stößen der
Spitzen.
Freut euch, ihr Freunde, und ruft mit mir fröhlich aus: Willkommen seiest Du,
erhabender Freund!
Man freue sich wegen seiner Ankunft, und frohlocke, und nehme die Geschenke
seiner Freigebigkeit in Empfang!

Als sie in die Stadt angekommen waren, begab sich jeder in
die ihm bestimmte Wohnung. Abbaas aber begab sich allein in die Nähe des
Tigris, ließ täglich für seine Truppen schlachten, backen, und sie im Freien
speisen, wozu sich die Leute aus der Stadt haufenweise herandrängten, und
mitaßen. Auch verbreitete sich die Nachricht von seiner Ankunft bis zu den
Wüstenbewohnern und zu den entfernteren Gegenden, von woher diese denn
ebenfalls nach Bagdad kamen, und ihm Geschenke brachten. Endlich aber begab sich
Abbaas in das Haus, das er früher gekauft hatte, und der Kaufmann und seine
Frau eilten, ihn zu bewillkommnen. Er befahl nun, das sogleich ihrem Manne drei
der kostbarsten Pferde vom ältesten Stamme, zehn Kamele und hundert Stück
anderes Vieh überantwortet würden, außerdem schenkte er ihnen noch die
kostbarsten Stoffe zu Anzügen. Ferner ließ er zehn Mädchen und zehn Sklaven,
fünfzig der schönsten Pferde, und fünfzig der besten Kamele, sowie
dreihundert Stück geringeres Vieh, zwanzig Unzen Muskus, und ebenso viel Unzen
anderer Wohlgerüche dem König von Bagdad senden. Als dieses kostbare Geschenk
dem König überreicht wurde, war er davon sehr angenehm überrascht, aber auch
ebenso verlegen, wie er dies Geschenk erwidern sollte. Abbaas beschäftigte sich
unterdessen immerfort mit Austeilen von Geschenken an Vornehme und Geringe,
jedem nach Maßgabe seines Standes und seiner Würde. Nur Maria empfing nichts.
Dies schmerzte und beleidigte sie außerordentlich.

Voll Betrübnis darüber, dass er ihrer gar nicht
gedachte, wandte sie sich daher an ihre Sklavin Schafyke, und befahl ihr, zu
Abbaas zu gehen, ihn zu grüßen, und ihm zu sagen: „Was hält Dich denn
ab, dass Du meiner Gebieterin nicht auch einen Teil von Deiner Beute
schickst?“ – Mit diesem Auftrag begab sich die Sklavin sofort zu Abbaas.
Als sie indessen bei seinem Haus ankam, hielten sie die Kammerherren ab, bis zu
ihm zu gelangen, bevor sie nicht seine Erlaubnis eingeholt hätten. Sie
erhielten diese, und als sie herein getreten war, erkannte er sie, und merkte,
dass sie ihm etwas mitzuteilen hätte, weshalb er den Mamelucken gebot, sich zu
entfernen. „Was bringst Du?“, sagte er zu ihr, als sie allein waren. –
„Ich bin die Sklavin der Fürstin Maria,“ antwortete jene. „Sie
küsst Dir die Hände, grüßt Dich, und ist sehr erfreut über Deine
glückliche Rückkehr. Aber ebenso betrübt ist sie auch, und sie macht Dir auch
deshalb Vorwürfe, dass Du sie so sehr allen Leuten nachgesetzt hast. Groß und
Klein haben von Dir Geschenke erhalten, und Du hast dennoch ihrer, gleich als
wenn Du hartherzig gegen sie wärst, nicht gedacht.“ – „Gott sei
gelobt, der die Herzen ändert!“, antwortete er. „Ich gestehe, mein
Herz war ganz voll von Liebe für sie, und aus Sehnsucht nach ihr habe ich mein
Land, meine Familie und mein Vermögen verlassen. Nicht bei mir, sondern bei ihr
begann die Hartherzigkeit. Doch ungeachtet alles dessen will ich es sie nicht
entgelten lassen, sondern ich will ihr doch etwas schicken, was ihr zur
Erinnerung dienen mag, denn ich bleibe in ihrem Lande nur noch wenige Tage, und
gehe von hier sehr bald wieder nach Jemen ab.“ Zugleich befahl er, dass ihm
ein Kasten gebracht würde. Aus diesem zog er eine prächtige Halsschnur von
griechischer Arbeit, tausend Goldstücke an Wert, hervor, tat sie in einen
Beutel von grüner Seide, der mit Perlen und Edelsteinen besetzt, und mit Gold
durchflochten war, legte dann noch zwei Kästchen mit Muskus und Ambra hinein,
und beschenkte die Sklavin mit einem seidenen griechischen Kopfputz, worauf
allerhand Figuren in Gold gestickt waren. Sie empfahl sich nun, und ging voll
Freuden zu der Fürstin Maria, welcher sie alles genau erzählte, was sie von
Abbaas gesehen und vernommen hatte. Zuletzt überreichte sie ihr auch das für
sie bestimmte Geschenk.

Als Maria das prächtige Halsband sah, welches von dem
Reichtum des Gebers zeugte, sah sie ihre Sklavin an, und sprach: „Bei Gott,
Schafyke, ein einziger Blick auf ihn selbst ist mir lieber, als alles, was ich besitze.
O hätte ich ihn doch nie gesehen, und nie etwas von ihm gehört!“ Nachdem
sie sich noch eine Zeit lang betrübten Gedanken überlassen hatte, ließ sie
sich ein Schreibzeug und Papier bringen, und schrieb folgende Verse:

„Wie lange dauert schon mein Harren, und wie lange
brennt schon das Feuer in meiner Brust! Der schmerzhafteste Pfeil der Trennung
ist in mich eingedrungen, und verletzt mich!
So oft ich mich zwingen will, Deine Liebe zu vergessen, so führt mich meine
Sehnsucht und mein Verlangen wieder zu Dir zurück.
Ich verbarg meine Liebe aus Furcht vor den Beobachtern, aber die häufigsten
Tränen auf meinen Wangen verrieten, was in mir vorging.
Der schönste Ort, das anmutigste Leben, ja die größten Ergötzlichkeiten,
nichts freut mich ohne Dich.
Das Feuer der Liebe, welches mich verzehrt, freut mich, während mich die
Trennung vernichtet, und die Sehnsucht mir schlaflose Nächte verursacht.
Es vergeht keine Nacht, wo ich nicht Dein Bild im Traum erblicke, doch sehe ich
in Dir nicht einen, der mich wieder liebt.
O möchtest Du doch wissen, was ich wegen Deiner Liebe erdulde, während Du mich
mit Deiner Entfernung betrübst.
Lies meinen Brief, und verbirg seinen Inhalt. Es ist meine Geschichte, und zeigt
Dir, wie mich das Schicksal verfolgt.
siehe das Unglück, welches mich trifft, und bewahre mein Geheimnis vor
jedermann.“

Sie legte nun den Brief zusammen, und übergab ihn
sogleich dem Mädchen, um ihn zu Abbaas zu tragen, und Antwort darauf zu
bringen. Diese begab sich nun zu ihm, und als sie eingelassen wurde, fand sie
bei ihm fünf Mädchen, die an Schönheit den Vollmond übertrafen, und die mit
Schmuck und kostbaren Gewändern bekleidet waren.