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968. Nacht
Dort fand er einen Kaufmann, der vor sich ein Schachspiel
stehen hatte. Er verweilte bei demselben einige Zeit, nur um ihm zuzusehen. Der
Kaufmann aber sah ihn seinerseits an, und fragte ihn: „Wie viel er
einsetzen wolle, wenn er Lust hätte, mit ihm zu spielen.“ – „Wie viel
Du willst,“ erwiderte Abbaas. – „Hundert Goldstücke,“ entgegnete
der Kaufmann. Da Abbaas in diese Forderung willigte, so sagte der Kaufmann:
„Zähl aber das Gold gleich auf, damit das Spiel Gewissheit erhalte.“
Jener nahm sogleich einen atlasnen Beutel hervor, in welchem sich tausend
Goldstücke befanden, zählte davon hundert Stück ab und legte sie neben den
Teppich. Der Kaufmann setzte ebenso viel aus, und war übrigens ganz entzückt,
so viel Gold bei Abbaas zu bemerken. Neugierige Leute hatten sich schon um sie
versammelt, teils, um dem Spiel zuzusehen, teils um Zeugen abgeben zu können,
wenn etwas über den Einsatz Streit entstehen sollte. Sie spielten also, und
Abbaas war so nachlässig, dass der Kaufmann glaubte, er habe es mit einem
unerfahrenen Spieler zu tun. Denn er gewann ihm bald die hundert Goldstücke ab.
Da fragte ihn Abbaas: „Willst Du noch ein Spiel versuchen?“ –
„Ich spiele anders nicht,“ antwortete der geldgierige Kaufmann,
„als um tausend Goldstücke.“ – „Was Du aussetzen wirst,“
erwiderte Abbaas, „werde ich Dir auch entgegensetzen.“ Der Kaufmann
zählte die tausend Goldstücke hin, und Abbaas desgleichen. Das Spiel begann
nun bald dem einen bald dem andern günstig zu werden, und Abbaas gewann, nach
Verlauf einer Stunde ihm in der Stellung des Elefanten1)
die tausend Goldstücke ab. Nun wurden nacheinander mehrere Partien gespielt, so
dass Abbaas ihm vier Mal tausend Goldstücke abgewann. Das war aber bloß eine
List des Kaufmannes, um den Abbaas dreister zu machen. Darum sagte der Kaufmann
hierauf: „Jetzt kann ich nur noch um den Wert meines Ladens spielen,“
und dieser betrug viertausend Goldstücke. Sie spielten, und Abbaas gewann
abermals, und nahm den Laden mit dem, was er enthielt, in Besitz. Da stand der
Kaufmann voll Verzweiflung auf und sprach: „Der Laden ist Dein.“ Eben
waren sie im Begriff, hineinzugehen, als der Emir Sa’ad ankam, um den Abbaas zum
König einzuladen. Sie machten sich nun auf und gelangten bald zum Monarchen.
Nachdem sie diesem die gebührenden Ehrfurchtsbezeigungen dargebracht hatten,
fragte er den Abbaas, woher er wäre, und wohin er zu reisen gedenke. „Ich
bin aus Jemen,“ erwiderte Abbaas. „Hast Du irgend ein Geschäft,“
fragte der König, „zu dessen Erfüllung wir Dir behilflich sein könnten?
Wir sind Dir zu vielem Dank verpflichtet wegen dessen, was Du dem Hadsyfa uns zu
Gunsten getan hast.“ Zu gleicher Zeit befahl der König, dass Abbaas mit
einem Gewand aus ägyptischen Atlas bekleidet würde, dessen Wert hundert
Goldstücke betrug. Ferner befahl er seinem Schatzmeister, ihm tausend
Goldstücke auszuzahlen. „Nimm dieses,“ fügte er hierzu, „als
einen kleinen Teil dessen, was wir Dir schuldig sind. Bleibst Du länger bei
uns, so will ich Dir noch ein Geschenk von Sklaven und anderen Sachen
machen.“ Da neigte sich Abbaas bis zur Erde, und sprach: „Dieses
alles, o König, habe ich nicht verdient.“ Zugleich griff er in seinen
Busen, und nahm zwei goldne Kästchen heraus, in deren jedem zwei Rubinen waren,
deren Wert gar nicht geschätzt werden konnte. Diese überreichte er dem König,
und sprach: „O König, Gott möge Dein Leben verlängern, und Dich
beschützen. Habe die Gnade, und beglücke mich mit der Annahme dieser beiden
Kästchen, sowie ich Dein Geschenk mit Dank annehme.“ Der König nahm sie
in Empfang, und Abbaas bat um die Erlaubnis, sich zurückziehen zu dürfen.
Darauf entfernte er sich, und begab sich wieder auf den Markt, wo die Kaufleute,
als sie ihn erblickten, ihn sogleich fragten, ob er nicht seinen Laden öffnen
wollte? Als er sich noch mit ihnen unterhielt, trat auf einmal eine Frau zu ihm,
die einen kleinen Knaben trug, welcher mit entblößtem Haupt war. Sie
betrachtete Abbaas, und als er sich zu ihr wandte, sagte sie zu ihm: „O
Herr! Siehe diesen armen Knaben an und erbarme Dich seiner, denn sein Vater hat
seine Mütze in dem Laden vergessen. Habe die Güte, sie ihm wiederzugeben, denn
das Herz bricht uns, ihn so weinen zu hören. Wenn uns noch etwas übrig
geblieben wäre, so würden wir sie kaufen und sie nicht von Dir erbitten.“
– „Du Zierde der Frauen,“ erwiderte Abbaas, „Du hast mich mit
Deiner bezaubernden Rede sehr angesprochen und durch Deine unwiderstehliche
Bitte gerührt. Hole mir Deinen Mann her.“ Sie holte ihn und die Leute
versammelten sich von neuem, um zu sehen, was Abbaas tun würde. Dieser übergab
ihm sogleich alles Gold, was er ihm abgenommen hatte und überlieferte ihm
zugleich die Schlüssel seines Ladens. „Der Dank,“ fügte er hinzu,
„den ich von Dir verlange, ist ein frommes Gebet für mich.“
1) Der
Elefant ist das, was bei uns der Turm im Schach ist. Das Spiel ist übrigens
eine persische Erfindung, und heißt im Arabischen wie im Persischen: Schatreng.