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952. Nacht

Die Königin freute sich über sie, reichte ihr die Hand, zog sie an sich,
und ließ sie auf dem Thron neben sich Platz nehmen. Sie küsste der Königin
die Hand, und diese sprach zu ihr: „Wisse, dass alles, was Du hier siehst,
alle Throne und Teppiche, keinem Geist gehört. Es ist alles mein, und Ablys hat
mich inständig gebeten, das Fest, das er heute feiern wird, durch meine
Gegenwart zu verherrlichen. Heute wird nämlich für seinen Sohn Sisban das
Reinigungsfest begangen, deshalb habe ich ihm eine meiner Sklavinnen Scha’ae,
die Königin des vierten Meeres, geschickt, um meine Stelle zu vertreten, da sie
ohnehin meine Unterkönigin ist. Da nun das Fest naht, und sie Dich gesehen, und
Deinen Gesang hört hat, hat sie mich schnell davon benachrichtigt, und mir
Deine schönen Eigenschaften alle beschrieben. Auf dieses habe ich mich selbst
zu Dir begeben, und Dir dadurch vor allen Geistern die größte Ehre
erwiesen.“ Tochfa dankte ihr, indem sie ihr ehrfurchtsvoll die Hand
küsste. Sodann befahl sie, dass Tische angerichtet werden möchten, und
sogleich wurde ihnen ein goldener, mit Perlen und Edelgesteinen besetzter, mit
den kostbarsten Speisen, vorgesetzt. Nach mehreren scherzhaften Reden sprach die
Königin zu Tochfa: „Ist es wahr, was mir eine Sklavin von Dir gesagt? Du
hättest nämlich über Maimun geäußert, dass er so hässlich wäre, und dass
Du nicht mit ihm essen könntest?“ Da antwortete Tochfa, dass sie seinen
Anblick gar nicht ertragen könne, und dass sie sich vor ihm fürchtete . Die
Königin lachte darüber und sagte scherzhaft: „Bei der Wahrheit der
Inschrift auf dem Siegelring Salomons, und so wahr ich Königin aller Geister
bin, auch Dich vermag niemand einen Augenblick anzusehen, ohne im Herzen Schmerz
zu empfinden.“ – Tochfa dankte ihr für diese äußerung der Höflichkeit.
Nach aufgehobener Tafel nahten sich die König der Geister von allen Gegenden,
küssten die Erde vor der großen Königin, und boten ihr ihre Dienste an. Sie
dankte ihnen, ohne sich jedoch von irgend einem unter ihnen zu neigen. Hierauf
nahte sich aber auch Ablys, warf sich ihr zu Füßen, und sprach: „Wie soll
ich Dir meinen Dank bezeigen, für die hohe Gunst, dass Du uns mit Deinem Besuch
beehrt hast.“ – „Nicht mir,“ erwiderte die Königin, „musst
du danken, sondern der Fürstin Tochfa, denn diese ist die Ursache meiner
Hierherkunft.“ – „Das darf ich nicht bezweifeln,“ antwortete
Ablys, indem er sich nochmals vor der Königin neigte, welche sich nun sofort
weg begab. Auf einmal fanden sich wieder mehr als hunderttausende von Vögeln
ein, die mit ihrem Gesang die Luft erfüllten. Als Tochfa über diese Menge von
Vögeln ihr Befremden äußerte, sprach Vahime zu ihr: „Wisse, liebe
Schwester, dass diese Königin da die Königin Schahaba1)
ist. Sie ist Königin über alle Geister, von Osten bis Westen, und diese Vögel
sind ein Teil ihres Heeres. Wenn letztere nicht diese Gestalt angenommen
hätten, so würden sie auf der Erde nicht Raum haben. Sie sind mit ihr
gekommen, um diesem Reinigungsfeste beizuwohnen, und es ist dies eine überaus
große Ehre, die uns geschieht.“ Hierauf begab sich die Königin zum
Reinigungsthron, der mitten in dem Saal errichtet worden war, und Tochfa ergriff
die Laute, und macht einige Gänge, um zu sehen, ob sie gestimmt sei.


1)
Aschgrau