Project Description

949. Nacht

So hatten sie nun mit Trank und Sang und Spiel der verschiedensten
Instrumente die Nacht zugebracht, und schon begann der Tag anzubrechen. Der
fröhlichste unter allen war Ablys, welcher in einer Aufwallung von
Freudetrunkenheit alles, was er an Kostbarkeiten bei sich hatte, nebst mehreren
Kleidungsstücken der Tochfa zuwarf, deren eines mit Edelsteinen und Hyazinthen
besetzt und wohl zehntausend Goldstücke wert war. Zugleich sprach Ablys zu ihr:
"Mache mir ein Gedicht auf meinen Bart." Sogleich schilderte sie
diesen auf die abscheulichste Art, zu großen Belustigung der Gesellschaft. Da
indessen die Nacht vorüber war, so nötigte sie Ablys, auszuruhn, ehe noch der
Morgen völlig anbrach. Die Geister verließen sie alle, und sie blieb ganz
allein, und überließ sich den Gedanken an Harun Arreschyd. Darauf begab sie
sich in den Garten, richtete ein frommes Gebet an Gott, um baldige
Wiedervereinigung mit dem Kalifen, und begab sich dann wieder in ein noch
schöneres Bad, als das früher erwähnte, welches diesmal mit muskulhaltigem
Rosenwasser angefüllt war. Sie entkleidete sich hier, wusch sich, und betete.
Als endlich der Morgen anbrach, und die Sonne diesen wunderschönen Garten
beschien, sah sie die ganze Pracht des Gartens in neuem Farbenglanz, und
während sie ihn betrachtete, erklang der Gesang der Vögel dazu. Ihre Augen
schlossen sich eine Weile. Sie träumte während dieser Zeit von Harun, und
vergoss darüber Tränen. Da weckte sie ein leiser Hauch, und siehe, es war die
Königin Kamrye, welche sich ihr näherte, und sie nötigte, mit ihr ins Schloss
zu kommen, wo alles schon zu ihrem Empfang in Bereitschaft war. Sisban hatte
unterdessen seine Gestalt endlich verändert. Ablys aber näherte sich ihr, und
küsste ihr die Hand, und als Tochfa sich vor ihm neigte, fragte er sie:
"Findest du diesen Ort schön, da er so abgesondert und abscheulich ist?
Noch nie hat ein Mensch ihn betreten." – "Diesen Ort kann niemand
abscheulich finden," erwiderte sie, "und wenn ich ihn betreten habe,
so geschah es bloß vermöge Deiner Güte." Hierauf wurden, wie
gewöhnlich, Speisen aufgetragen, alle Arten von Früchten vorgesetzt, und Wein
eingeschenkt. Der erste, der den Becher ergriff, war Ablys. Er sagte:
"Schöne Tochfa, singe etwas über meinen Becher." Sie tat es auch
sogleich, und zwar folgendermaßen:

"Erwacht ihr Geschöpfe, und benutzt von der Zeit, und von dem, was im
Leben ungetrübt ist, den Teil der Euch verliehen wurde.
Dann trinkt den klaren Wein, der Euch wohl tut, am Morgen, welcher, wenn er aus
dem Fass fließt, wie eine rauchlose Flamme glänzt.
Reiche unter uns, o Weinschenk, dieses fließende Rot herum, dieses ungestraft
vergossene Blut. Dies kann man wohl trinken, o Freund, und sich der frohsten
Hoffnung überlassen.
Die Wonne des Lebens ist für mich nur das Erblicken des Antlitzes meines Herrn,
das Trinken reinen Weines, und das Anhören der Sänger."

Da leerte Ablys seinen Becher, winkte der Tochfa, überreichte ihr
Kostbarkeiten, und noch andere, zehntausend Goldstücke wert, nebst einer
Schüssel voll Edelsteinen. Endlich füllte er einen anderen Becher, den er dem
Sisban, welcher sein Sohn war, überreichte. Dieser empfing ihn aus seiner Hand,
stand auf und küsste ihn, und da eben vor ihm eine Schüssel voll Rosen und
anderen Blumen stand, so sprach er: "Tochfa, singe mir doch etwas auf diese
Rosen." Sie tat es sogleich auf folgende Weise:

"Unter allen Wohlgerüchen trage ich den Preis davon, nur darum fehlt
ihr mich am liebsten, weil ich Euch nur selten besuche.
Mein Ruf ist bekannt. Man weiß, dass ich meinen Besitzer verwunde. Gott möge
ihn glücklicher machen, als mich!"

Nun trat Maimun, der Schwertträger auf, ergriff einen Becher, und bat sie,
auf eine andere Blume etwas zu singen, welches sie ebenfalls zur großen
Befriedigung der Gesellschaft tat. Hierauf winkte er ihr, entfernte sich auf
eine Weile, kam dann bald zurück, und brachte ein großes Becken voll
Edelsteinen, an Wert von hunderttausend Goldstücken. Da befahl die Königin
Kamrye einer ihrer Sklavinnen, die Schatzkammer zu öffnen, und die Sachen
Tochfas unterdessen darin niederzulegen. Worauf sie dieser letzteren die
Schlüssel dazu übergab, und ihr sagte, dass alles, wozu sie in der Zukunft
irgend nur gelangen möchte, dort niedergelegt werden könne, und dass nach
Vollendung der schönen Tage ihrer Anwesenheit alles durch die Geister in ihr
Schloss gebracht werden würde. Jene dankte und küsste ihr die Hand.