Project Description

945. Nacht

Dort stellte er sie ihm in Gegenwart Giafars, des Wesirs,
vor, warf sich auf die Erde und sprach: „O Fürst der Gläubigen, ich
bringe Dir ein Mädchen, dessen Schönheit keines gleichen hat, und die in ihrem
Gesang und in der Kunst, die Laute zu spielen, von niemandem übertroffen wird.
Sie heißt Tochfa.“ – „Wo ist diese Schönheit, die in der Welt ihres
gleichen nicht hat?“ – „Hier, Fürst,“ sprach Ishak, indem er sie
ihm vorführte. Als sie den Fürst der Gläubigen erblickte, warf sie sich vor
ihm auf die Erde, und sprach: „Heil dir, o Fürst der Gläubigen, du
Beschützer der Religion, Du Erhalter der Gerechtigkeit unter den Menschen!
Möge Gott Deine Schritte leiten, und Dich in Ruhe genießen lassen, was Er Dir
gibt! Möge einst das Paradies Dein Aufenthalt sein, und das Feuer der
Verbannungsort Deiner Feinde!“ – „Auch Dir, Mädchen,“ erwiderte
Harun, „gebe ich meinen Gruß. Setze Dich, und singe etwas.“ Sie nahm
hierauf die Laute, und nach einigen melodischen Akkorden, die den Kalifen und
Giafar entzückten, sang sie folgende Verse:

„O Geliebter, ich schwöre bei dem, den ich anbete,
für den man wallfahrt, und für den man den Berg Arafat besucht:
Wenn auf meinem entseelten Körper schon längst ein Grabhügel sein wird, so
werden meine vermoderten Gebeine noch Deiner Stimme gehorchen.
Keinen außer Dir begehre ich zum Geliebten. Glaube meinen Worten, denn die
Edlen verdienen Zutrauen.“

Als der Kalif ihre Schönheit, ihren Gesang und die
Deutlichkeit ihres Ausdrucks zusammen in Erwägung zog, war er darüber so
erfreut, dass er vom Thron herabstieg, sich neben sie auf die Erde setzte, und
sprach: „Sehr schön, o Tochfa! Bei Gott, Du verdienst deinen Namen in der
Tat, denn Du bist ein wahres Geschenk.“ Hierauf sprach er zu Ishak:
„Du hast dieses Mädchen sehr unrichtig beschrieben, indem Du nicht den
zehnten Teil von allen den Vorzügen angedeutet hast, die sie besitzt. Sie ist
ja weit geschickter, als Du.“ – „Ja,“ sprach Giafar, „o mein
Herr, Du hast ganz Recht. Sie hat mir meinen Verstand geraubt.“ –
„Auch ich,“ fiel Ishak ein, „muss gestehen, dass ich früher
immer behauptet habe, es wäre niemand in der Welt, der besser die Laute
spielte, als ich. Als ich aber ihr Spiel gehört hatte, so sank das meinige zu
Nichts herab.“ Hierauf befahl der Kalif, dass sie den Gesang noch einmal
wiederholen möchte, welches sie denn auch zu seiner Zufriedenheit tat. Er
befahl hierauf dem Mesrur, sie in seine geheimeren Zimmer zu bringen. Während
Tochfa sich mit dem Sklaven entfernte, bemerkte der Kalif die schönen Kleider
und den Schmuck, den sie anhatte, und sagte: „Ishak, woher hat sie diese
Kostbarkeiten?“ – „Das ist, o mein Herr,“ erwiderte dieser,
„ein kleiner Teil Deiner eigenen Geschenke und Wohltaten gegen mich. Ich
habe sie ihr verehrt, und das scheint mir bei Gott etwas geringes für dieses
ausgezeichnete Mädchen.“ Da befahl der Kalif, an Ishak fünfzigtausend
Goldstücke auszuzahlen, und ihm eins der schönsten Ehrenkleider zu geben.
Diesen Befehl vollführte Giafar sogleich. Der Kalif aber begab sich zur Tochfa,
und unterhielt sich mit ihr die ganze Nacht. Sie entzückte ihn so, dass er
keine Stunde ohne sie sein konnte, dass er in der Folge ihr mehrere Zweige der
Regierung anvertraute, da er in ihr einen ausgezeichneten und richtigen
Verstand, gepaart mit der größten Bescheidenheit, gefunden hatte. Er gab ihr
fünfzig Sklavinnen, und 200000 Goldstücke, nebst einer Menge Kostbarkeiten,
die gar nicht berechnet werden können. Aus lauter Liebe und Zärtlichkeit für
sie vertraute er sie keiner von seinen Sklavinnen an, sondern, wenn er von ihr
ging, verschloss er die Türe eigenhändig, und nahm den Schlüssel mit. Auch
verbot er jeder Sklavin, sich ihr zu nahen, aus Furcht, sie möchte aus
Eifersucht oder Neid vergiftet werden. Dies hatte bereits eine geraume Zeit so
gewährt. Einst, wie sie dem Kalifen etwas vorsang, war er darüber so
entzückt, dass er sie in seine Arme schloss, und ihr die Hand küssen wollte.
Sie aber zog sie schnell weg, war ganz außer sich, zerschlug in ihrer
Bestürzung ihre Laute, und zerfloss in Tränen. Harun trocknete ihr dieselben
ab, und sprach: „O Sehnsucht meines Herzens, warum weinst Du? Möge Gott
nie Dein Auge betrüben.“ – „O, mein Herr,“ erwiderte sie,
„ist es mit mir schon so weit gekommen, dass Du meine Hand küssen willst?
Soll mich Gott dafür strafen? Ist etwa mein Ende nahe, oder will mein Glück
untergehen? Noch niemandem ist das widerfahren, was Du mir antun willst.“ –
„Du hast sehr wohl gesprochen, meine Tochfa,“ sprach der Kalif,
„aber wisse, dass Du mir sehr teuer bist. Vor Freude wollte ich Dir die
Hand küssen. Glaube mir, dass ich niemanden so liebe, wie Dich, nur mit meiner
Liebe zu Dir will ich sterben, und du sollst meine Beherrscherin sein!“ Sie
fiel ihm zu Füßen, und küsste ihm dieselben. Diese Tat der Demut freute ihn
außerordentlich, und vermehrte, wo möglich, noch seine Liebe. Dieses
Verhältnis hatte auf diese Weise eine lange Zeit unvermindert fortgedauert, als
eines Tages der Kalif auf die Jagd ging, und Tochfa in ihrem Schloss
zurückließ.