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944. Nacht

„Ich bin,“ antwortete sie, „Deine Sklavin
Tochfa.“ – „Wer bist Du, Tochfa?“, rief er aus, „und ich
konnte Dich vergessen?“ Nun blickte er sie an, und sprach: „Wie hast
du Dich verändert. Wie bist Du schön geworden! Wie erfüllst Du mich mit
Entzücken! Warst Du es, die jetzt sang?“ Da fuhr sie zusammen, fürchtete
sich, und sagte: „Ja, mein Herr.“ Da ergriff er sie bei der Hand, und
führte sie ins Haus, und sprach zu ihr: „Nimm die Laute und singe, denn
ich habe noch nie etwas gehört, das Deinem Spiel ähnlich gewesen wäre.“
– „O, spotte meiner nicht, mein Herr! Wer bin ich, dass Du mir so etwas
sagen könntest? Das ist bloß ein übermaß von Deiner Güte.“ – „Bei
Gott, ich sage nur die Wahrheit,“ sprach er, „ich bin keiner von
denen, die nur leere Worte machen. Aber wie konntest Du dich so im Zaum halten,
das Du während drei Monaten die Laute nicht in die Hand nahmst, und sangst? Das
ist etwas sehr sonderbares, und zeugt von einer großen Beherrschung Deiner
selbst.“ Darauf befahl er ihr, zu singen, und sie erwiderte: „Gern und
willig gehorche ich Dir.“ Sie nahm nun die Laute, zog die Saiten etwas an,
machte einige Gänge, und kam in die erste Tonart zurück, worüber Ishak ganz
bezaubert war. Dann sang sie folgende Verse:

„Gegen Euch bleibe ich, so lange ich lebe, gut
gesinnt. Nie werde ich mich ändern, und das Haus wird stets von meinem Ausrufen
Eures Namens widerhallen.
Sollte ich auch ein entferntes Land bewohnen, so werde ich doch nie vergessen,
das ihr mir nahe wart. Welch trauriges Schicksal für Liebende, sich nur durch
Erinnerungen entschädigen zu können!
Euer Bildnis steht fest in der Mitte meines Auges. Es wird mich nie verlassen,
und wird in der Dunkelheit der Nacht mir als Mond erscheinen.
Je mehr meine Liebe zunimmt, desto größer wird mein Schmerz, und in der Freude
über Euren Besitz empfinde ich die Furcht vor der Trennung.“

Nach Endigung dieses Gesangs legte sie die Laute aus der
Hand, und Ishak näherte sich ihr, und fasste ihre Hand, um sie zu küssen. Sie
aber zog ihre Hand zurück, und sprach: „Mein Herr, tue dieses nicht.“
Er aber unterbrach sie, indem er beteuerte, dass er in einem großen Irrtum
gewesen sei, als er behauptet habe, es wäre ihm in der Welt niemand gleich an
Fertigkeit in der Musik. „Du bist aber umso vieles in der Kunst
geschickter, als ich, dass man es nicht genug erwägen und schätzen kann. Heute
will ich Dich noch zum Fürsten der Gläubigen führen, und wenn er Dich sieht,
so wirst du die Herrin der Frauen werden. Ach, meine Gebieterin, wenn Du im Haus
des Kalifen sein wirst, so vergiss mich nicht.“ – „O mein Herr,“
rief sie aus, „ich werde Dich immer als den Begründer meines Glücks
betrachten. Mein Herz wird immer auf Dich stolz sein.“ Er bat sie um einem
Schwur, dass sie ihn nie vergessen werde. „Bei Gott,“ sagte er,
„Du wirst das Glück des Kalifen ausmachen. Komm, nimm Deine Laute, und
spiele mir das vor, was Du dem Kalifen vortragen willst.“ Sie tat es und
sang:

„Nahe Du Dich ihm als Geliebte, statt derjenigen, um
die er weint, und die ihm so teuer war,
Die ihm noch als letzten Wonnegruß vor ihrem Tod (der aus Schmerz wegen ihrer
Trennung erfolgte) von dem roten Wein ihrer Lippen (einen Kuss) gab.“

Da nahte sich Ishak, drückte ihre Hand, und sprach:
„Ich habe einen Schwur getan, dass, sobald mir der Gesang eines Mädchens
gefällt, ich sie sogleich dem Kalifen vorführe. Aber von allen Dingen sage
mir, wie konntest Du fünf Monate bei dem Sayd bleiben, ohne dass Dich jemand
kaufte, da Du doch so geschickt warst, und für Dich so wenig gefordert
wurde?“ Da lächelte sie entzückend, und sprach: „Mein Herr, meine
Geschichte ist sonderbar. Ich gehörte nämlich einem maurischen Kaufmann, der
mich gekauft hatte, als ich erst drei Jahre alt war. Er hatte eine Menge Sklaven
und Sklavinnen, deren Pflege er mich anvertraute. Denn ich war ihm sehr teuer,
und er nannte mich immer sein kleines Töchterchen, auch hat er mich stets als
Tochter behandelt. Er hatte unter andern ein Mädchen, die ganz vorzüglich die
Laute spielte. Diese hatte mich in ihrer Kunst unterwiesen, und sich mit mir
viel Mühe gegeben. Als indessen bald darauf mein guter Herr von Gott zum Genuss
seiner Barmherzigkeit in jene Welt abgerufen wurde, so teilten seine Kinder sich
in sein Vermögen, und ich fiel einem seiner Söhne zu. Doch dieser war so
verschwenderisch, dass er in kurzer Zeit alles vergeudet hatte, so dass ihm auch
nicht das geringste mehr übrig blieb. Da ich nun also voraussah, dass mein Herr
genötigt sein würde, mich zu verkaufen, und ich sehr fürchtete, in die Hände
eines Mannes zu kommen, den ich nicht zum Besitzer wünschte, so nahm ich mir
vor, die Laute nie mehr zu spielen, damit diese Kunst nicht jemanden locken
möchte, der mein Inneres zu beurteilen nicht im Stande wäre. Leider dauerte es
auch nur einige Tage, und ich wurde in das Haus des Sayd gebracht, welcher die
Sklavinnen für den Kalifen einkaufte. Ich meinerseits hatte indessen keinen
anderen Wunsch, als den, bei Dir Deine Kunst zu erlernen. Ich nahm mir daher
fest vor, mich an niemand anders, als an Dich verkaufen zu lassen. Endlich wurde
mein Wunsch erfüllt. Du kamst zu Sayd, und ich bat Dich, mich ihm abzukaufen,
welches Du auch tatest. Seitdem ich nun in Deinem Haus bin, habe ich die Laute
nicht angerührt, außer jetzt. Ich wollte nämlich bloß sehen, ob sich mein
Spiel verändert habe oder nicht. In diesem Augenblick aber wurde ich durch ein
Geräusch unterbrochen. Ich sah nach, und erblickte Dich.“ – „Das war
recht zur glücklichen Stunde,“ unterbrach er sie. öffnete dann einen
Kasten, nahm prächtige, mit Edelsteinen und großen Perlen besetzte Kleider
heraus, nebst anderem kostbaren Schmuck, übergab ihr dieses alles, und sprach:
„In Gottes Namen bekleide Dich damit, o Herrin Tochfa.“ Sie stand auf,
zog diese Kleider an, verschleierte sich, und ging mit Ishak in den Palast des
Kalifen.