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939. Nacht

Der Vorsteher befahl hierauf seinem Sklaven, der das Geld
genommen hatte, alles anzuwenden, um in das Haus des Juden etwas zu bringen, was
ihn verdächtig und für sein Leben besorgt machte. Das tat er denn auch, und
zwar bediente er sich folgender List. Er schnitt nämlich einer toten Frau die
hand ab, an deren Finger ein goldner Ring steckte, legte sie in einen Korb, und
vergrub sie unter eine Diele des Hauses des Juden. Wir begaben uns nun fort,
durchsuchten einige Häuser, und kamen dann auch zu dem Juden, wo wir den
bewussten Korb fanden. Wir legten nun sogleich den Juden als einen Mörder in
Ketten. Als der bestimmte Tag herangekommen war, und wir den Präfekten bereits
von der Sache unterrichtet hatten, kam ein Mann von Seiten des Sultans, welcher
befahl, den Juden anzunageln und sodann die fünftausend Goldstücke zu bringen,
denn es sei nicht möglich, dass eine solche Summe so leicht verloren gehen
könne, sofern nicht böser Wille dabei im Spiel wäre. – Da merkte er, dass die
List nicht gelungen war. Er ging nun sofort aus, und begegnete unterwegs einem
Jungen, den er angriff, durchprügelte, und ihn auf das Polizeiamt brachte. Dort
schlug er ihn nochmals, und sagte: „Das ist der Dieb.“ Er wollte ihn
durch Prügel zum Geständnis bringen. Allein er gestand nichts. Doch wie er das
vierte Mal gepeinigt worden war, sagte er: „Ich will Euch das Geld
bringen.“ Man band ihn los, und er musste die Polizeibeamten dahin leiten.
Ich war mit bei ihnen, und zum allgemeinen Erstaunen führte er uns an den Ort,
wo der Sklave des Vorstehers das Geld hin vergraben hatte. Als der Präfekt
diesen Fund sah, freute er sich außerordentlich, gab dem Vorsteher große
Belohnungen, bekleidete ihn mit Ehrenpelzen, und brachte das Geld zum Sultan
zurück. Den Jungen aber heilten wir noch fest. Jetzt sagte ich zu meinem
Freund, der das Geld eigentlich genommen hatte: „Wahrscheinlich hat der
Junge den Mann gesehen, der das Geld vergraben musste.“ – „Bei Gott,
das ist nicht möglich,“ erwiderte dieser. Voll Begier, zu wissen, wie der
Junge dieses hatte erfahren können, begab ich mich zu ihm, und pflegte seiner,
bis er wieder zu Kräften kam. Dann sagte ich zu ihm: „Nun entdecke mir,
wie Du das Geld gestohlen hast.“ – „Ach,“ sagte er, „ich
versichere Euch bei Gott, ich habe es nicht gestohlen. Auch habe ich es nicht
eher gesehen, bis ich es aus der Erde hervorzog.“ – „Wie ist denn das
möglich?“, unterbrach ich ihn. „Ach,“ sagte er, „ich weiß
sehr wohl die Ursache, warum ich in Eure Hände geraten bin. Die Nacht vorher
hatte ich nämlich meine Mutter misshandelt, und sie geschlagen. Da verfluchte
sie mich, und sagte: „Gott wird Dich in die Hände eines Bösewichtes
bringen.“ Da sie nun eine sehr fromme Frau ist, so fürchtete ich bei einem
längeren Verweilen bei ihr einen noch härtern Fluch von ihr zu empfangen, und
ging daher schnell von ihr weg. Da traft ihr mich dann in der Straße, und
behandeltet mich so, wie ihr wisst. Als ich vor Schmerz über Eure Schläge
meines Verstandes schon ganz beraubt war, glaubte ich einen inneren Ruf zu
vernehmen, der mir befahl, die Sache zu gestehen, und aufs Geratewohl Euch
irgend wohin zu führen. Dieses innere, unbeschreibliche Gefühl leitete mich
dann an den Ort, wo ihr das Gesuchte fandet.“ über diese Erklärung
verwunderte ich mich, suchte ihn aus dem Gefängnis zu befreien, und pflegte
ihn, da ich sah, dass er noch ein frommer Mensch werden würde.“

über diese Geschichte verwunderten sich alle
Gegenwärtigen, und der elfte Vorsteher begann sodann folgendermaßen:

„Einer meiner Freunde, den ich redend einführen
will, hat mir folgende Geschichte von einem Dieb erzählt.“

„Als ich eines Tages auf den Markt gegangen war,
bemerkte ich einen Dieb, der eben den Laden eines Wechslers erbrochen hatte, und
daraus eine große Schachtel entwendete, mit welcher er sich sodann in einen
Begräbnisort begab. Ich folgte ihm dahin. Er öffnete dort die Schachtel, um zu
sehen, was darin sei. In diesem Augenblick näherte ich mich ihm, klopfte ihn
auf die Schulter, und sprach: „Guten Tag, Freund.“ Darüber erschrak
er fürchterlich. Ich ließ ihn indessen stehen, und ging davon. nach einigen
Monaten begegnete ich ihm wieder, als er soeben von der Polizei ergriffen, auf
die Präfektur geführt wurde. So wie er mich sah, rief er aus: „Den haltet
fest, denn er war mit dabei.“ Sie ergriffen mich nun, und schleppten mich
fort. Als wir vor den Präfekt kamen, fragte ihn dieser: „Was hast du denn
mit diesem da gemein?“ Da wendete sich der Dieb um, sah mich an, trat mir
immer näher, und sagte: „Wer hat Euch denn gesagt, diesen da zu
greifen?“ – „Du hast uns ja selbst zugerufen,“ erwiderte man ihm,
„auf dies haben wir ihn festgenommen.“ – „Behüte Gott,“
sagte er darauf, „den kenne ich gar nicht, so wie er auch mich nicht kennt.
Ich habe einen ganz anderen Mann gemeint, der vorbei ging.“ Auf dieses
ließen sie mich wieder los. Nach einiger Zeit begegnete er mir wieder, grüßte
mich, und sprach: „Mein Herr, ein Schrecken für den anderen. Hättest du
dazumal mir etwas abgenommen, so hättest du meine Strafe mit mir teilen
müssen.“ Mit diesen Worten ging er fort. –

Der zwölfte Vorsteher begann nun seine Geschichte, wie
folgt:

„Einer meiner Freunde erzählte mir einst folgende
Geschichte, die ihm selbst begegnet ist.“

„Als ich einst spät in der Nacht aus einer
Gesellschaft nach Hause ging, bemerkte ich in der Straße eine Diebesbande. So
wie ich merkte, dass sie mich sahen, wurde mir sehr übel zumute. Indessen
stellte ich mich betrunken, taumelte von einem haus zum anderen, und, mich bald
rechts bald links wendend, rief ich: „O, ich bin betrunken!“ Zugleich
stellte ich mich, als hätte ich sie nicht gesehen. Allein sie gingen immer
hinter mir her, bis ich an mein haus kam, und an die Türe geklopft hatte, da
erst entfernten sie sich. Als ich einige Tage darauf an der Türe meines Hauses
stand, sah ich einen jungen Mann auf mich zukommen, der an eine Kette
geschmiedet, von einer Polizeiwache geführt wurde. „Mein Herr,“ rief
er mich an, „gibt mir etwas, um Gottes Lohn.“ Ich erwiderte :
„Gott wird Dich unterstützen.“ Hierauf sah er mich lange an, und
sprach: „Das, was Du mir geben könntest, wird nicht den Wert Deines
Turbans, noch Deines Gürtels, noch irgend eines Deiner Kleidungsstücke, auch
nicht den des Goldes oder des Silbers haben, welches Du an einem gewissen Tag
bei Dir trugst.“ – „Wie meinst Du das?“, fragte ich ihn hierauf.
„Denke nur an jene Nacht,“ erwiderte er, „wo Du betrunken vor
Dieben herumtaumeltest, welche Dich nackt ausziehen, und Dir alles rauben
wollten. Ich war damals mit unter ihnen, und sagte zu ihnen: Das ist mein Herr,
der hat mich erzogen, und den dürft ihr nicht anrühren. Auf diese Weise habe
ich Dich damals aus ihren Händen gerettet.“ Da sagte ich zu ihm, er
möchte stehen bleiben, bis ich in mein Haus gegangen wäre. Von daher holte ich
eine Summe Geldes, und gab sie ihm, welches, wie ich hoffe, Gott angenehm
gewesen sein wird, und so ging er davon.“

Der dreizehnte Vorsteher sagte hierauf: „Ich weiß
eine weit schönere Geschichte,“ und begann diese dann mit folgenden
Worten:

„Ehe ich noch Polizeibeamter wurde, hatte ich einen
laden von seidnen Zeugen. Da pflegte denn immer ein Sklave zu mir zu kommen, der
einer Person diente, die ich nur vom Sehen kannte. Ich gab ihm alles, was er
brauchte, und er bezahlte mich immer pünktlich. Eines Tages war ich in
Gesellschaft mehrerer Freunde, bei denen ich mich bis spät in die nach
aufhielt. Wir tranken, belustigten uns, und spielten endlich das Spiel Taab.
einer unter uns wurde daher zum Wesir ernannt, ein anderer wurde zum Sultan
gemacht, und ein dritter musste Scharfrichter sein. Als wir im besten Spiel
waren, trat, ohne unsere Erlaubnis, ein Schmarotzer1)
herein, den keiner von uns kannte. Wir ließen uns indessen nicht stören, und
er spielte mit uns. Endlich sagte der Sultan im Spiel zum Wesir: „Führt
mir den Schmarotzer vor, der ohne Erlaubnis zu den Leuten geht, damit wir
erfahren, wer er ist. Ich werde ihm dann den Kopf abhauen lassen.“ Der
Scharfrichter schleppte ihn vor den Sultan, und da wir bei uns einen Säbel
hatten, der so stumpf war, dass er kaum Butter zerschnitten haben würde, so
sprach der Sultan zum Scharfrichter: „Haue ihm den Kopf ab.“ Er hieb
zu, und zu unser aller Entsetzen fiel der Kopf wirklich herunter. Der Rausch des
Weines verließ uns auf der Stelle, und wir befanden uns in dem grausamsten
Zustand. In der Verlegenheit wussten wir kein besseres Mittel, als den Körper
herauszuschleppen, und ihn nach Möglichkeit zu verscharren. Ich aber nahm den
Kopf, und wollte ihn in den Fluss werfen. In meiner Trunkenheit ging ich denn
also in meinen Blut bespritzten Kleidern fort. Aber mitten auf meinem Weg
begegnete mir ein Mann, den ich für denjenigen erkannte, der vormals von mir
die Waren angenommen hatte, jetzt aber zu einer Diebesbande gehörte. Er
erkannte mich und fragte: „Bist Du nicht der und der, und was trägst du
denn da?“ Da beantwortete ich seine Frage, und erzählte ihm die ganze
Geschichte. Er ließ sich nunmehr den Kopf zeigen, und erkannte ihn für den
seines leiblichen Bruders.


1)
Tufeily, d.i. Schmarotzer, werden im arabischen Leute genannt, die uneingeladen
und zu ungelegener Zeit andere Menschen besuchen, mit ihnen essen und bei ihnen
ihre Zeit zubringen.