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906. Nacht

Sogleich fiel ihm auch ein, dass ihm schon seit einigen
Tagen jemand nachfolge. Er beschloss sogleich, ihm aufzupassen, und als er ihn
nach Verlauf einiger Tage bemerkte, stellte er sich sehr tiefsinnig, und tat,
als wenn er mit sich selbst spräche. Endlich sagte er ziemlich vernehmlich.
„Im Topf waren sechzig Dinare, zwanzig Dinare habe ich an dem und dem Ort,
die werde ich heute holen, und auch in den Topf tun.“

Als dies der Betrüger hörte, tat es ihm sehr leid, das
Geld entwendet zu haben. „Denn,“ sagte er bei sich selber, „wenn
er nun zum Topf kommt, und nichts mehr darin findet, so wird mir das entgehen,
weshalb ich ihm auflauere. Das beste ist also, dass ich schnell die Dinare
wieder in den Topf tue, damit er sie sieht, und das übrige noch dazu tut, dann
kann ich alles zusammen nehmen.“ Um das zu bewerkstelligen, lud er jenen
Unglücklichen in demselben Augenblick zu Gaste, wo er ihn eben im Begriff sah,
nach seinem Schatz zu gehen. „Du bist ja sehr eilig,“ rief er ihm zu.
„Komm doch lieber herein und iss mit mir etwas.“ Der andere ließ sich
auch wirklich bereden, und der Betrüger eilte nun unter dem Vorwand, er habe
auf dem Markt noch etwas zu kaufen, von dannen, um den Topf mit dem Geld zu
verscharren. Sodann ging er wieder nach Hause und bewirtete seinen Gast aufs
Beste. Hierauf gingen sie zusammen aus. Der Betrüger nahm scheinbar einen
anderen Weg, und verbarg sich. Der andere nahm den Topf, und ging mit demselben
davon. Fröhlich begab sich der Betrüger ebenfalls dahin. In der Hoffnung, den
Schatz vergrößert zu finden, grub er nach, fand aber nichts, da merkte er
wohl, dass er betrogen worden war, und war darüber höchst missvergnügt. Er
folgte jenem noch einige Zeit nach, konnte ihn aber nicht überlisten, denn der
Unglückliche wusste, was der andere im Sinn führte.

Doch diese Geschichte, so niedlich sie auch ist, kann doch
nicht verglichen werden mit derjenigen von dem Khablis und seiner Gemahlin.

Geschichte von dem Khablis und seiner
Gemahlin 1)

Khablis war ein sehr verschwenderischer und leichtsinniger
Mensch, der diesen seinen Fehler gar nicht erst zu verbergen suchte. Er hatte
eine sehr schöne Frau, die von einem seiner Landsleute geliebt wurde, und die
dessen Liebe erwiderte. Khablis indessen war sehr listig und verschlagen. In
seiner Nachbarschaft wohnte ein Gelehrter, zu dem die Leute täglich gingen, um
von ihm die Geschichte und Moral vortragen zu hören. Auch Khablis besuchte ihn,
aber bloß, um vor den Leuten als Freund der Wissenschaften zu gelten. Da aber
dieser Gelehrte eine wahre Schönheit zur Frau hatte, so benutzte der Liebhaber
von Khablis Frau diesen Umstand, um unter dem Vorwand, er liebe die Frau des
Gelehrten, – welche indessen in dem Ruf der reinsten Tugend stand, – zu seiner
Geliebten gelangen zu können, und zwar auf folgende Art.

Er ging nämlich zu dem Mann seiner wahren Geliebten, und
entdeckte ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit alles, was er von der Frau
des Gelehrten bemerkt zu haben vorgab. Dass er sie liebe, und von ihr wieder
geliebt würde. Sodann bat er ihn um seinen Beistand bei diesen Liebeshändeln.
Khablis aber glaubte, ihm sagen zu müssen, dass sie sich auf keine Fall mit ihm
in ein Einverständnis einlassen werde. „Ach,“ rief der andere,
„ich kann unmöglich dem Glück entsagen, sie zu sehen, denn sie entzückt
mich, und sie hat große Zuneigung zu mir. Auch sticht ihr mein Reichtum in die
Augen. übrigens ist meine Liebe zu ihr zu groß, als dass ich nicht nochmals
Dich bitten sollte, mir zu helfen.“ – „Es sei,“ sagte endlich
Khablis, „ich werde tun, was Du wünschst.“ Da sprach jener: „Ich
verspreche Dir täglich zwei Silberdrachmen, mit der Bedingung, dass Du zu dem
Gelehrten gehst, und seinem Unterricht beiwohnst, dass Du aber, wenn er dem Ende
seines Vortrags nahe ist, Dich an ihn wendest, und mit ihm laut sprichst. Das
wird mir dann ein Zeichen sein, dass er bald aufstehen wird.“

Als sie miteinander hierin übereingekommen waren, so ging
Khablis zu dem Gelehrten, und setzte sich unter die Zuhörer. Während dessen
freute sich der andere, dass Khablis mit den zwei Drachmen zufrieden war, ging
zu dessen Frau, und hielt sich bei ihr so lange auf, bis der Gelehrte sich zum
Aufstehen rüstete, wo alsbald Khablis anfing, sich laut mit ihm zu unterhalten.
Auf dieses Zeichen entfernte sich jener von Khablis Frau, deren Mann es nicht
ahnte, das das Unheil bei ihm selbst wäre. Da dies indessen sehr oft wiederholt
wurde, und der Gelehrte es befremdend fand, dass Khablis alle Tage bei seinem
Aufstehen sich mit ihm in ein lautes Gespräch einließ, so schöpfte er
Verdacht, und endete eines Tages seine Sitzung früher als gewöhnlich, nahte
sich plötzlich dem Khablis, ergriff ihn unsanft und sprach: „Bei Gott,
wenn Du ein einziges Wort sprichst, so misshandle ich Dich auf alle Art.“
Nun schleppte er den Khablis mit sich zu seiner Frau, die er ganz ruhig und
ehrbar an ihrem gewöhnlichen Ort beschäftigt sitzend fand, ohne dass der
Schein von irgend etwas unrechtmäßigem vorhanden war. Da dachte der Gelehrte
einige Zeit darüber nach, und entschloss sich, schnell in das nächste Zimmer,
welches die Wohnung Khablis war, zu gehen. Dieses tat er denn, und nahm den
Khablis mit sich. Da erblickten sie nun seine Frau in dem vertraulichsten
Gespräch mit demselben Mann, der dem Khablis den Auftrag gegeben hatte, ihm
durch Zeichen das Ende der Sitzung des Gelehrten anzuzeigen. Sofort sprach nun
der letztere zu Khablis: „Du Bösewicht! Das Unheil ist ja bei Dir in
Deinem eigenen Haus, und Du warst selbst behilflich dazu.“

Aus Scham und Zorn floh Khablis, verließ das Land und
verstieß seine Frau. Dieses sind die Folgen der Bosheit und Schlechtigkeit, und
wer in seinem Herzen Trug und List hegt, der wird selbst das Opfer derselben.


1)
Siebzehnte Nacht des Wesirs.