Project Description

905. Nacht

Sie ergriff hierauf einen Stein, streifte ihre ärmel auf,
wobei er ihren schönen weißen Arm zu bewundern Gelegenheit hatte, und schlug
mit solcher Gewalt auf das Schloss, dass es zersprang, und sagte sodann:
„Nunmehr tritt herein, mein Herr.“ Dieses tat er denn auch, obgleich
in banger Besorgnis. Sie folgte ihm, und schloss die Tür hinter sich zu, und
beide befanden sich nun in einem herrlichen Gebäude, voll der kostbarsten
Sachen. Der Mann setzte sich auf den vornehmsten Platz, und stützte sich auf
das Kopfkissen. Die Frau griff nach ihrem Schleier, den sie abnahm, sowie sie
denn auch die lästigsten Kleider ablegte. Er bewunderte ihre Schönheit, und
unterhielt sich höchst angenehm mit ihr, und da der gute Mann in sich eine
starke Esslust spürte, so sagte er zu ihr: „Ich bin in meinem Haus gar
nicht recht bewandert, denn ich verlasse mich zu sehr auf meinen Bedienten.
Bemühe Du Dich also, und siehe einmal, was der Mensch in der Küche bereitet
haben mag.“ Die Frau erhob sich, und ging in die Küche hinab, wo sie
kupferne Pfannen über dem Feuer fand, worin verschiedene kostbare Gerichte
waren. Sie ergriff hierauf ein paar Schüsseln, und schöpfte in dieselben aus
den kupfernen Pfannen allerlei Speisen, die sie ihm vorsetzte. Sie aßen,
tranken, und vertrieben sich die Zeit höchst angenehm. Hierauf setzte sie ihm
auch Früchte vor.

Sie waren bereits länger als eine Stunde beisammen, als
der Hausbesitzer mit seinen Freunden heimkam. Da er das Schloss abgenommen fand,
so klopfte er leise, indem er zu seinen Freunden sagte: Ich sehe soeben, dass
jemand von meiner Familie bei mir ist. Entschuldigt mich also.“ Aus
Bescheidenheit entfernten sich nun die Freunde, und er klopfte von neuem an die
Türe. Als der Mann das hörte, entfärbte er sich, die Frau indessen sagte:
„Ich glaube, Dein Bedienter kommt zurück.“ – „Ja wohl,“
erwiderte er, und sie eilte nun, um ihm die Tür zu öffnen, indem sie sagte:
„Wo bist Du denn so lange geblieben? Dein Herr ist sehr böse auf
Dich.“ – „Gnädige Frau,“ erwiderte der Hausbesitzer, „ich
war in seinen Angelegenheiten aus.“ Hierauf band er sich eine Schürze um,
trat ins Zimmer, und grüßte den Fremden, welcher ihn fragte: „Wo bist Du
denn gewesen?“ – „Ich habe Deine Angelegenheiten besorgt,“ war
die Antwort. – „So gehe nun, und iss, dann komme zurück und trinke,“
sagte der Fremde. Der Hausherr entfernte sich also, wie er geheißen wurde.
Nachdem er gegessen hatte, setzte er sich zu ihnen an den Tisch, er unterhielt
sich mit ihnen. Dies beruhigte den Fremden wieder, und er wurde so froh und
heiter, dass die Fröhlichkeit unter ihnen bald allgemein wurde.

Als die Nacht vergangen war, sagte die Frau, dass sie nach
Hause gehen wollte. Der Fremde entließ sie also, und sie ging von dannen. Der
Hausbesitzer aber folgte ihr, und überreichte ihr einen Beutel voll Gold, indem
er ihr sagte: „Entschuldige nur meinen Herrn, denn er ist außerordentlich
nachlässig.“ Hierauf begab er sich zu dem Fremden und sagte: „Stehe
auf, das Bad ist schon bereit.“ Dieser dankte ihm außerordentlich, und bat
ihn: „Sage mir, wer bist Du? Ich glaube nicht, dass in der Welt jemand Dir
gleicht an Güte und Höflichkeit.“ Hierauf erzählten sie sich
beiderseits, was sie zu wissen verlangten, und gingen miteinander ins Bad. Der
Hausbesitzer lud hierauf seinen neuen Freund nebst seinen anderen Bekannten ein,
denen er den Vorfall erzählte, und die ihn nicht genug wegen seines Benehmens
loben konnten. Der Fremde blieb ihr Gesellschafter, so lange er sich noch in der
Stadt aufhielt, und kurze Zeit darauf hatte er das Glück, sich nach seinem
Geburtsort begeben zu können, wo seine Umstände sich sehr zu seinem Vorteil
änderten.

Doch diese Geschichte ist lange nicht so schön, als
diejenige von dem reichen Mann, der sein Vermögen und seinen Verstand verloren
hatte.

Geschichte
von dem reichen Mann, der sein Vermögen und seinen Verstand verloren hatte
1)

Ein Mann wurde über den Verlust seines Vermögens so
tiefsinnig, dass er seinen Verstand verlor. Er hatte ungefähr noch zwanzig Dinare
in seinem Vermögen. Diese vergrub er in einen Topf, und tat das, was ihm die
Leute schenkten, dazu.

In derselben Stadt befand sich aber ein Betrüger, der dem
armen Mann schon oft zugesehen hatte, wie er Geld sammelte. Er passte ihm daher
eines Tages auf, und bemerkte, wie er einige Goldstücke vergrub. Er verbarg sich
nun hinter einer Mauer, um abzuwarten, bis der Arme weggegangen sein würde.
Sodann begab er sich an den Ort, grub die Erde auf, nahm das Geld heraus, und
scharrte alles wieder zu, wie es zuvor gewesen war.

Nach kurzer Zeit kehrte der Unglückliche zurück mit
etwas eingesammeltem Geld, um es wieder aufzubewahren. Allein er fand nichts
mehr.


1)
Sechzehnte Nacht des Wesirs.