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883. Nacht

Sie begab sich nun zum König, bei dem sie die Weisen sehr
zahlreich versammelt fand. Sobald sie eintrat, ließ sie der König neben sich
auf den Thron setzen. „Mutter Alka,“ sprach er, „ich habe diese
Nacht kein Auge zugetan vor Kummer über das gestrige Ereignis.“ –
„Hast du nicht Weise,“ sprach sie zu ihm, „die das Brot des
Divans essen?“ Hierauf wandte sie sich zu jenen. „Wählt die Weisesten
unter Euch aus.“ Sie wählten vierzig. „Wählt aus diesen die
Weisesten.“ Sodann gebot sie ihnen: „Schlagt wieder ein
Sandbrett.“ Dieses verwirrt dieselben so, dass sie drei Mal von vorn
anfangen mussten. „Was seht Ihr,“ fragte der König erzürnt.
„Herr,“ sagten sie, „der, den wir suchen, ist von einem Tier der
Wüste genommen worden, welches mit ihm zwischen Himmel und Erde fliegt.“ –
„Wie,“ sprach der König zu Alka, „hast Du jemals so etwas
gesehen?“ Erzürnt griff der König nach seinem Schwert. Drei flohen und er
tötete vier von ihnen. Als Alka nach Hause kam, befreite sie den Seif und
erzählte, was geschehen war. Den anderen Morgen nahm Alka die Gazelle und
schlachtete sie in einem kupfernen Kessel, dann nahm sie einen goldnen Mörser
und stellte ihn verkehrt hinein, und zu Seif Sul Jesn sprach sie: „Setze
Dich auf diesen Mörser, bis ich wiederkomme.“ – Hierauf begab sie sich in
den Divan, wählte sechs Weise aus, die wieder das Sandbrett schlugen und es
drei Mal in der Verwirrung wiederholen mussten. „Wehe,“ sprach der
König voll Zorn, „was seht ihr für ein Unglück?“ –
„Herr,“ riefen sie bestürzt, „unser Verstand verwirrt sich, denn
wir sehen ihn auf einem goldnen Berge sitzen, welcher in Mitte eines Blutmeeres
ist und dieses umgibt eine kupferne Mauer.“ Da zürnte der König und er
hob die Sitzung auf. „Auf Dich, o Alka,“ sprach er, „will ich nun
allein vertrauen.“ – „Morgen,“ erwiderte sie, „werde ich den
Fremden Dir zu zeigen suchen.“ Zu Hause angekommen, benachrichtigte sie
Seif von dem Vorgefallenen, und sprach: „Morgen werde ich schon wissen, was
ich dem König sagen soll, um ihn zu beschäftigen und von Deiner Verfolgung
abzuhalten.“ Am anderen Morgen traf sie Taka, wie sie sich heimlich mit
Seif unterhielt. Sie fragte dieselbe: „Was verlangt er?“ –
„Mutter,“ erwiderte diese, „er wünscht in das Schloss des
Königs zu gelangen, um in und den Divan zu sehen.“ – „Was Du
wünscht, soll geschehen,“ erwiderte sie, „aber Du darfst nicht
sprechen.“ – Diese Bedingung ging er ein, und so bekleidete sie ihn mit dem
Anzug ihres Dieners, gab ihm ein Sandbrett und verfügte sich mit ihm zum
König. Dieser sagte ihr: „Die ganze Nacht habe ich nicht geschlafen, weil
ich mich mit dem Fremden, den wir suchen, beschäftigt habe.“ – „Nun
die Sache mir anvertraut ist,“ versetzte sie, „werde ich Dir Schutz
genug sein gegen ihn.“ – Zugleich befahl sie Seif ihr das Sandbrett zu
übergeben. Sie schlug es, und nachdem sie ihre Berechnungen gemacht hatte,
sagte sie freudig zum König: „Herr, ich kann Dir die frohe Botschaft von
der Flucht des Fremdlings verkünden, die er aus Furcht vor Dir und Deinen
Räten ergriffen hat.“ Der König indessen, als er dies hörte, zerriss
seine Kleider, schlug sich ins Gesicht und sprach: „Der wird nicht
fort gegangen sein, ohne das Buch genommen zu haben.“ – „Ich kann nicht
sehen, ob er etwas mitgenommen hat,“ erwiderte sie. – „Heute ist der
erste des Monats,“ sprach der König, „komm, wir wollen sehen, ob es
fehlt.“ Er begab sich hierauf mit einem großen Gefolge in das Gebäude, wo
das Buch aufbewahrt wurde. Alka trennte sich einen Augenblick vom König um Seif
zu sagen: „Tritt nicht mit uns ein, denn wenn Du hinein trittst, so wird der
Kasten sich von selbst öffnen, und das Buch auf Dich zufallen. Das würde Dich
gleich verraten, man würde Dich ergreifen und Dich töten. Alle meine Mühe wäre
dann vergebens gewesen.“