Project Description

868. Nacht

Plötzlich erschien vor mir ein himmlischer Geist, angetan
mit einem azurblauen Gewand, auf welches seien blonden Haare in langen Locken
über seine Schultern hinabwallten. Sein Antlitz war glänzend wie das Licht,
und in der Hand hielt er eine Lanze, von welcher nach allen Seiten Feuerfunken
aussprühten.

„Abu Muhammed,“ sagte er zu mir, „sprich
auf der Stelle den Spruch aus: „Es ist kein anderer Gott als der
allmächtige Urheber aller Dinge,“ oder ich durchbohre Dich mit dieser
Lanze!“

Erschreckt durch seine Drohung, vergaß ich alle meine
Vorsätze und sprach die Worte aus, welche mein Unheil waren. Plötzlich stieß der
Engel des Lichts den abtrünnigen Geist mit seiner Lanze und verwandelte ihn in
Asche. Ich aber stürzte auf der Stelle zur Erde hinab und versank in die Fluten.

Betäubt von meinem Sturz, blieb ich einige Zeit unter
Wasser. Als ich wieder zur Besinnung kam, begann ich aus allen Kräften zu
schwimmen; aber ich hätte unfehlbar das Leben verloren, hätten nicht einige
Matrosen mich erblickt, welche sich zufällig in einem Boot nicht weit von der
Stelle befanden, wo ich herab gefallen war. Sie kamen mir sogleich zu Hilfe, und
indem sie mich bei den Kleidern ergriffen, gelang es ihnen, mich an Bord zu
ziehen.

Diese guten Leute redeten eine Sprache, welche mir
gänzlich ungekannt war: Sie redeten mich mehrmals an, aber ich gab ihnen durch
Zeichen zu verstehen, dass ich sie nicht verstände.

Gegen Abend warfen sie ihre Netze aus und fingen eine
große Menge Fische, welche sie braten ließen, und von denen ich mit großer Lust
aß. Am folgenden Morgen steuerten sie ans Land, und nachdem wir ausgestiegen
waren, führten sie mich in eine sehr volkreiche Stadt und stellten mich ihrem
König vor, der mich auf die schmeichelhafteste und ehrenvollste Weise aufnahm.
Auf meine Fragen nach dem Namen der Stadt, in der ich mich befand, vernahm ich,
sie hieße Henad und wäre eine der ansehnlichsten Seestädte von China.

Der König befahl ausdrücklich einem seiner beiden Wesire,
die größte Sorgfalt für mich tragen und mich alle Merkwürdigkeiten des Landes
sehen zu lassen. Man erzählte mir, vor alten Zeiten wären die Einwohner dieser
Stadt allerlei Aberglauben ergeben gewesen und zur Strafe deshalb von Gott in
Steine verwandet worden. Was mir hier am meisten auffiel, war die Schönheit der
Obstbäume, welche in der Umgegend in so großer Menge wuchsen, dass ich mich
nicht erinnere, irgendwo anders so viele gesehen zu haben.

Bei solcher Unterhaltung und Zerstreuung verlebte ich
ungefähr einen Monat in dieser Stadt. Eines Tages, als ich am Ufer des Flusses,
der ihre Mauern bespült, lustwandelte, erblickte ich einen Reiter, der mit
verhängten Zügeln auf mich zusprengte.