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819. Nacht

Als nun Alaeddin auf einige Augenblicke hinausgehen
musste, benutzte Mahmud Albalchy diese Gelegenheit, wandte sich zu den jungen
Leuten und versprach ihnen, jedem ein prächtiges Kleid zu schenken, wenn sie
den Alaeddin bestimmen könnten, mit ihm zu reisen. die jungen Leute nahmen sein
Versprechen an, worauf er sie verließ und zu seiner Gesellschaft zurückkehrte.

Als Alaeddin wieder herein trat, gingen alle die jungen
Leute ihm entgegen, ließen ihn in ihrer Mitte sitzen und fingen an, von
Handelssachen zu sprechen. Einer von ihnen wandte sich an den, der ihm zur Seite
saß, und fragte ihn, wie er sich das Vermögen verschafft hätte, welches er
gegenwärtig besäße.

„Als ich das mannbare Alter erreicht hatte,“
antwortete der junge Mann, an den diese Frage gerichtet war, „drang ich in
meinen Vater, mir Waren zu kaufen; weil er aber nicht dazu imstande war, sagte
er mir, ich sollte mich an einen seiner Freunde, einen Kaufmann, wenden, tausend
Goldstücke von ihm entlehnen, sie in Waren verwandeln und mich auf Erwerbung
aller der Kenntnisse legen, welche zum glücklichen Erfolg im Handel dienen. Ich
befolgte seinen Rat und wandte mich an einen Kaufmann, der mir tausend
Goldstücke lieh, für welche ich Stoffe einkaufte und damit nach Syrien reiste.
Dort verkaufte ich meine Waren glücklich genug; denn ich gewann zweihundert
für hundert. Da ich so mein Vermögen verdoppelt sah, kaufte ich syrische
Waren, welche ich in Halep verkaufte, wo ich abermals gute Geschäfte machte. So
habe ich meinen Handel fortgetrieben bis heute, und durch Anstrengung bin ich
dahin gelangt, mir ein Vermögen von zehntausend Goldstücken zu erwerben.“

Jeder der jungen Leute erzählte eine ziemlich ähnliche
Geschichte, bis endlich die Reihe an Alaeddin kam.

„Ihr wisst alle,“ sagte er zu ihnen, „meine
Geschichte. Sie ist nicht lang. Ich bin diese Woche erst aus der unterirdischen
Wohnung hervorgekommen, in welcher ich erzogen worden, und ich habe weiter noch
nichts getan, als vom Haus nach dem Warenlager gehen und wieder von dem
Warenlager nach Hause.“

„Ihr dürftet also,“ sagte einer der jungen
Leute, „wohl große Lust zu reisen haben.“

„Was hab‘ ich nötig zu reisen?“, versetzte
Alaeddin, „kann ich nicht ruhig zu Hause bleiben, ohne mir so viel Mühe zu
geben?“

Die jungen Leute fingen an, über diese Antwort zu lachen,
und erklärten ihn unter sich, aber laut genug, dass er es verstehen konnte,
für einen zaghaften und furchtsamen Menschen.

„Er gleicht,“ sagte der eine, „dem Fische,
der außer dem Wasser stirbt: Er könnte nicht leben, wenn er das väterliche
Haus verließe.“

„Er weiß nicht,“ sagte ein anderer, „dass
Reisen die Leute bilden, dass man nur auf Reisen sich unterrichtet, und dass ein
Kaufmann, der nicht die entferntesten Länder durchzogen hat, weder den Handel
verstehen, noch sich irgend eines Ansehens in seinem Stand erfreuen kann.“

Diese Spöttereien trafen Alaeddin so lebhaft, dass er auf
der Stelle mit Tränen im Auge hinausging, sein Maultier bestieg und mit
beklommenem Herzen heimkehrte.

Seine Mutter gewahrte es, und als sie ihn so verdrießlich
sah, fragte sie ihn, was ihm begegnet wäre.

Alaeddin erzählte seiner Mutter die Unterhaltung, welche
er mit den jungen Kaufleuten gehabt, und die Spöttereien, welche sie sich gegen
ihn erlaubt hatten, und erklärte ihr, dass er durchaus reisen wollte.

Seine Mutter bemühte sich anfangs, ihn von seinem
Vorhaben abzubringen. Als sie aber sah, dass es vergeblich wäre, fragte sie
ihn, wohin er denn zu reisen gedächte.

„Ich will,“ antwortete Alaeddin, „mich nach
Bagdad begeben, wo man, wie ich vernommen habe, leichtlich sein Vermögen
verdoppeln kann.“

Alaeddins Mutter, obwohl herzlich betrübt, dass sie sich
von einem so zärtlich geliebten Sohne trennen sollte, versprach ihm, mit seinem
Vater davon zu reden und ihn zu vermögen, dass er ihm einen seinem Vermögen
angemessenen Warenvorrat gäbe.

Alaeddin, schon voll Ungeduld abzureisen, beschwor seine
Mutter, dass sie selber ihm Sachen dazu gäbe, über welche sie schalten
könnte, und sie auf der Stelle einpacken ließe.