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817. Nacht
„Gott sei gelobt,“ rief Alaeddin aus, „dass
er mir einen so ausgezeichneten Mann zum Vater gegeben hat! Aber, liebe Mutter,
warum habt Ihr mich doch in einem unterirdischen Gemach erziehen und mich darin
so lange versperren lassen?“
„Wir haben Dich, mein lieber Sohn,“ antwortete
ihm seine Mutter, „nur deshalb dorthin gebracht, um Dich dem bösartigen
Einfluss der neidischen Blicke zu entziehen; denn was man von den unseligen
Wirkungen dieser Blicke erzählt, ist nur allzu wahr; durch sie werden so viele
Menschen ins Grab gebracht.“
„Meine Mutter,“ erwiderte Alaeddin, „es
gibt keine Freistätte, welche den Menschen den Beschlüssen der Vorsehung
entziehen könnte, und was dort oben geschrieben steht, muss notwendig
geschehen. Wir sind alle zum Tode bestimmt. Mein Vater, der heute noch in voller
Gesundheit lebt, kann uns morgen entrissen werden, und wenn ich dann seine
Stelle einnehmen wollte, könnten die Kaufleuten meinen Worten Glauben
beimessen, wenn ich ihnen sagte: „Ich bin Alaeddin, Schemseddins
Sohn?“ Würden sie mir nicht mit Grund entgegnen, dass sie niemals gewusst,
dass er ein Kind gehabt? Und würde der öffentliche Schatz nicht einschreiten
und mich aller Güter meines Vaters berauben? Versprecht mir also, liebe Mutter,
meinen Vater zu vermögen, dass er mich zu sich nimmt, mir einen Laden
einrichtet und mich in alle Teile des Handels einweiht.“
Die Mutter Alaeddins versprach ihrem Sohn, allen Einfluss,
welchen sie auf das Gemüt ihres Mannes hätte, anzuwenden, um ihn zu vermögen,
dass er seine Wünsche erfüllte.
über diese Vorgänge kam der Kaufmann nach Hause, und als
er seinen Sohn im Zimmer seiner Gattin fand, fragte er diese, warum sie ihn aus
der unterirdischen Wohnung gelassen hätte.
„Nicht ich habe ihn herausgelassen,“ antwortete
sie, „der zu seiner Bedienung angewiesene Sklave hat vergessen, die Türe
zu verschließen: Euer Sohn ist herausgegangen und ist zu mir heraufgekommen,
gerade als ich große Gesellschaft hatte.“
Nach dieser Erklärung unterrichtete sie ihren Mann von
der Unterhaltung, welche sie soeben mit ihrem Sohn gehabt hatte. Der Vater
versprach, ihn am folgenden Tag mit sich zu nehmen, und empfahl ihm
Aufmerksamkeit auf die Art, wie die Geschäfte geführt würden, und die bei den
Kaufleuten übliche Feinheit zu studieren.
Alaeddin, auf dem Gipfel der Freude, erwartete den
nächsten Morgen mit Ungeduld. Sein Vater führte ihn früh ins Bad und gab ihm
eine prächtige Kleidung. Nach dem Frühstück ließ er ihn ein Maultier
besteigen und ritt mit ihm nach dem Stadtviertel der Kaufleute.
Als diese ihren Vorsteher in Begleitung eines ihnen
unbekannten schönen Jünglings kommen sahen, fingen sie an, untereinander zu
schwatzen und den schmählichsten Verdacht über seine Sitten zu schöpfen.
„Schämt sich unser Vorsteher nicht,“ sprachen sie, „in seinem
Alter sich so aufzuführen?“
Der Nakib oder der Oberälteste der Kaufleute, er unter
ihnen in großem Ansehen stand, sagte sogleich zu ihnen:
„Wir dürfen nicht leiden, dass ein Mann, der sich so
öffentlich bloßstellt, noch länger unser Vorsteher sei.“
Die Kaufleute hatten damals die Gewohnheit, sich alle
Morgen auf dem Markt zu versammeln, wo ihr Nakib ihnen das erste Kapitel des
Korans vorlas, und sich dann in das Warenlager ihres Vorstehers zu begeben, dem
sie einen guten Morgen wünschten, nachdem sie abermals dasselbe Kapitel von ihm
hatten lesen lassen. Sodann trennten sie sich, und ging jeder seinen Geschäften
nach.
Als Schemseddin in sein Warenlager getreten war und die
Kaufleute nicht wie gewöhnlich kommen sah, berief er den Nakib und befragte ihn
um die Ursache.
„Alle Kaufleute,“ antwortete ihm der Nakib,
„sind entschieden, Euch Eures Vorsteheramtes zu entsetzen, und deshalb
kommen sie nicht, um das gewöhnliche Kapitel vor Euch zu lesen.“
„Welche Ursache,“ versetzte Schemseddin lebhaft,
„kann sie dahin bringen, mir diesen Schimpf anzutun?“