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811. Nacht

Da Naama immer noch nicht antwortete, so wollte die
Prinzessin, um sein Vertrauen zu gewinnen und ihn zum Reden zu bewegen, ihm
einige Liebkosungen erweisen. Da erkannte sie alsbald, dass er keine Frau wäre,
und wollte ihm den Schleier abreißen, welcher sein Gesicht bedeckte, um zu
sehen, wer es wäre.

„Gnädige Frau,“ rief jetzt Naama, „ich bin
ein Sklave: Um Gottes Willen, kauft mich, und nehmt mich unter Euren
Schutz.“

„Fürchtet nichts,“ sagte die Prinzessin,
„aber sagt mir, wer ihr seid, und wer Euch in mein Zimmer gebracht
hat?“

„Prinzessin,“ antwortete er, „ich heiße
Naama, ich bin in der Stadt Kufah geboren, und habe mein Leben gewagt, um meine
Sklavin Naam wieder zu finden, welche man mir durch die abscheulichste Arglist
entführt hat.“

Die Prinzessin beruhigte ihn und nachdem sie ihre Sklavin
herbei gerufen hatte, befahl sie ihr, hinzugehen und Naam zu holen.

Die Alte hatte sich schon in das Zimmer dieser jungen
Sklavin verfügt, und sie beim Eintritt gefragt, ob ihr Herr noch nicht
eingetroffen wäre. Als die junge Sklavin ihr geantwortet, dass sie ihn nicht
gesehen, argwöhnte die Alte sogleich, er hätte sich verirrt, und wäre in ein
anderes, als das ihm vor ihr bezeichnete Zimmer geraten. Sie teilte Naam ihre
Befürchtung mit, welche erschrocken ausrief:

„Es ist um uns geschehen, wir sind verloren!“

Indem sie noch beide beschäftigt waren über ihre Lage
nachzudenken, trat die Sklavin der Prinzessin herein, und sagte zu Naam, die
Prinzessin wünschte sie zu sprechen, und sie möchte sich auf der Stelle in ihr
Zimmer verfügen.

Als Naam aufgestanden war, um zu gehorchen, flüsterte ihr
die Alte ins Ohr: „Euer Herr ist sicherlich bei der Prinzessin, und alles
ist entdeckt.“

Die Schwester des Kalifen sagte beim Eintritt der jungen
Sklavin zu ihr:

„Euer Herr hat sich in dem Zimmer geirrt und ist in
das meinige getreten, anstatt in das Eurige, aber fürchtet nichts, ich werde es
so einrichten, dass alles glücklich abläuft.“

Bei diesen Worten begann Naam wieder Atem zu schöpfen,
und dankte der Prinzessin für den Schutz, welchen sie ihr zu gewähren geruhte.

Sobald Naama seine geliebte Gattin erblickte, flog er ihr
entgegen und drückte sie an sein Herz. Die Freude, welche beide durchdrang,
ließ sie besinnungslos einander in die Arme sinken.

Als sie wieder zu sich gekommen waren, ließ die
Prinzessin sie neben sich sitzen, und war nun mit ihnen auf Mittel bedacht, sie
aus der üblen Lage zu ziehen, in welche sie verwickelt waren.

„Gebieterin,“ sagte Naam, „unser Schicksal
steht gegenwärtig in Euren Händen.“

„Ihr habt von meiner Seite nichts zu fürchten,“
antwortete teilnehmend die Prinzessin, „im Gegenteil, ich werde alles tun,
was von mir abhängt, um die Gefahr abzuwenden, welche unter allen andern
Umständen Euch bedrohen würde.“

Hierauf sich zu ihrer Sklavin wendend, befahl sie, ihr zu
essen zu bringen und Erfrischungen aufzusetzen.

Als dieser Befehl vollzogen war, bot die Prinzessin selber
ihnen mehrere Sachen dar, und lud sie ein, sich unbekümmert dem Vergnügen
ihres Wiedersehens zu überlassen. Die beiden Gatten verbrachten einen Teil des
Abends, sich gegenseitig über die Wiedervereinigung glücklich zu preisen, und
die Freude und die Seligkeit zu seiner, von welcher ihre Seele berauscht war.
Die Prinzessin war von diesem Schauspiel innig gerührt, und fand Vergnügen an
den Ausbrüchen ihrer Zärtlichkeit.

„Niemals,“ sagte Naama, „habe ich seligere
Augenblicke verlebt und wenig kümmert mich, was noch geschehen mag.“

„Ihr liebt also diese Sklavin recht sehr?“,
fragte ihn die Schwester des Kalifen.