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81. Nacht

„Gott war von meiner Verzweiflung gerührt: In dem
Augenblick, in welchem ich mich ins Meer stürzen wollte, erblickte ich in
ziemlicher Entfernung vom Ufer ein Schiff. Ich schrie aus Leibeskräften, um
mich hörbar zu machen und ließ die Leinwand meines Turbans wehen, damit man
mich bemerken sollte. Das war nicht unnütz, die ganze Mannschaft gewahrte mich
und der Schiffshauptmann schickte mir das Boot. Als ich an Bord war, fragte mich
der Hauptmann und die Matrosen mit vielem Eifer, welches Abenteuer mich auf
diese wüste Insel geführt hätte, und als ich ihnen erzählt hatte, was mir
begegnet war, sagten mir die ältesten, dass sie mehrmals hätten von Riesen
erzählen hören, welche diese Inseln bewohnten, dass man sie versichert hätte,
es wären Menschenfresser und sie verzehrten die Menschen sowohl roh als
gebraten. In Betreff der Schlangen, setzten sie hinzu, dass sie im überfluss
auf dieser Insel wären, dass sie sich bei Tage verbergen und nur des Nachts zum
Vorschein kämen. Nachdem sie mir zu erkennen gegeben hatten, wie sehr sie sich
freuten, mich so vielen Gefahren entgangen zu sehen, so beeilten sie sich, da
sie nicht zweifelten, dass mich hungerte, mich mit dem Besten, was vorrätig
war, zu bewirten, und der Hauptmann, da er sah, dass meine Kleidungsstücke ganz
zerlumpt waren, hatte die Großmut, mir einen von seinen Anzügen geben zu
lassen.

Wir durchschifften einige Zeit das Meer, berührten
mehrere Inseln und landeten endlich auf der Insel Selahath, von woher man das
Sandelholz bezieht. Wir fuhren in den Hafen und ankerten dort. Die Kaufleute
fingen an, ihre Waren auszuladen, um sie zu verkaufen oder zu vertauschen.
Während dies geschah, rief der Schiffshauptmann mich zu sich und sagte zu mir:
„Bruder, ich habe in meiner Verwahrung Waren, welche einem Kaufmann
gehören, der einige Zeit auf meinem Schiff gereist ist. Da dieser Kaufmann
nicht mehr lebt, so verhandle ich sie, um seinen Erben Rechnung abzulegen, wenn
ich einen von diesen treffe.“ Die Ballen, die er meinte, waren schon auf
dem Verdeck. Er zeigte sie mir und sagte: „Dies hier sind die bewussten
Waren, ich hoffe, dass ihr so gut sein und die Last übernehmen werdet, sie zu
verhandeln. Ihr sollt dann für eure Bemühungen den gebührenden Lohn
empfangen.“ Ich willigte darin ein und dankte ihm dafür, dass er mir
Gelegenheit verschaffte, nicht untätig zu bleiben.

Der Schiffsschreiber verzeichnete alle Ballen nebst den
Namen der Kaufleute, welchen sie gehörten. Da er den Hauptmann fragte, wie er
denn diejenigen, mit welchen er mich eben beauftragt hatte, eintragen sollte,
erwiderte ihm jener: „Tragt sie unter dem Namen Sindbads des Seefahrers
ein.“ Ich konnte mich nicht ohne Bewegung nennen hören, und als ich den
Hauptmann näher ins Gesicht fasste, erkannte ich ihn für den, der mich
während meiner zweiten Reise auf der wüsten Insel, als ich am Ufer des Baches
eingeschlafen war, verlassen hatte und wieder unter Segel gegangen war, ohne
mich zu erwarten, oder suchen zu lassen. Ich hatte ihn nicht sogleich erkannt,
weil seine Person sich seit unserer Trennung sehr verändert hatte.

Dass er, der mich für tot hielt, mich nicht erkannte, ist
nicht zu verwundern. „Hauptmann,“ sagte ich zu ihm, „nannte sich
der Kaufmann, dem die Ballen gehörten, Sindbad?“ – „Ja,“
entgegnete er, „so nannte er sich, er war aus Bagdad und hatte sich in
Balsora auf meinem Fahrzeug eingeschifft. Als wir eines Tages an einer Insel ans
Land stiegen, um Wasser zu schöpfen und einige Erfrischungen einzunehmen, ging
ich, – ich weiß selbst nicht mehr, aus welchem Irrtum – wieder unter Segel,
ohne darauf zu achten, dass er sich nicht mit den anderen eingeschifft hatte.
Wir hatten guten und so frischen Wind, dass es uns unmöglich war, dass Schiff
umzuwenden, um ihn abzuholen.“ – „Ihr haltet ihn also für tot?“
fragte ich. „Ganz gewiss,“ versetzte er. „Wohlan,
Hauptmann,“ entgegnete ich, „öffnet die Augen und erkennt jenen
Sindbad, den ihr auf der wüsten Insel gelassen habt. Ich schlief am Ufer eines
Baches ein, und als ich erwachte, sah ich von der Mannschaft niemand mehr.“
Bei diesen Worten betrachtete mich der Hauptmann genau …