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807. Nacht
Nachdem er ihn mit Aufmerksamkeit beschaut hatte, fragte
er die Alte, wie ihre Tochter hieße. "Denn," fuhr er fort, "ich
muss ihr Horoskop stellen, um den günstigen Augenblick zu erforschen, wann sie
den Trank einnehmen muss, welcher sie wieder gesund machen soll."
"Sie heißt Naam," antwortete die Alte. Bei
diesem Namen wurde der Arzt nachdenklich, und begann an den Fingern zu zählen,
und die Alte starr ansehend, sagte er zu ihr:
"Edle Frau, ich kann Eurer Tochter kein Heilmittel
verordnen, ohne den Namen ihres Geburtsortes zu wissen. Das ist durchaus
notwendig, damit ich die Verschiedenheit des Himmelstriches und den Einfluss der
umgebenden Luft in Anschlag bringen kann. Ich bitte Euch also, mir den Ort
anzuzeigen, wo sie aufgezogen, und wie alt sie gegenwärtig ist."
"Sie ist vierzehn Jahre alt," sagte die Alte,
"und in der Stadt Kufah aufgezogen worden."
"Wie lange ist sie schon," fuhr der Arzt fort,
"in diesem Land?"
"Seit einigen Monaten," antwortete die Alte.
Naama, der bei dieser Unterredung zugegen war, verlor kein
Wort davon, und war in der äußersten Bewegung. Der Arzt und er blickten sich
unterweilen verstohlen an, und machten sich Zeichen des Einverständnisses.
"Nimm dies und dies hier," sagte jetzt der Arzt
zu ihm, "und bereite davon einen Trank."
Die Alte warf zehn Goldstücke auf den Ladentisch, und
betrachtete den jungen Mann genauer, der mit Bereitung des Trankes beschäftigt
war.
"Mein Gott," sprach sie zu dem Arzt, "welch
ein schöner Jüngling! Ist es Euer Sklave oder Euer Sohn?"
"Edle Frau, es ist mein Sohn," antwortete er.
Als Naama mit seiner Arbeit fertig war, schrieb er ein
kleines Zettelchen, worin er Naam durch folgende Verse von seiner Ankunft
benachrichtigte:
"Indem ich den Ort Deines Aufenthaltes entdecke,
fühle ich meine Liebe und meine Qual sich vermehren."
Er schob diesen Zettel sehr geschickt in eine Schachtel,
welche den Trank bewahrte: Diese Schachtel siegelte er zu, schrieb seinen Namen
darauf, und übergab sie so der Alten, welche sie nahm, sich beurlaubte, und
nach dem Palast des Kalifen zurückkehrte.
Bei ihrem Eintritt in das Zimmer der jungen Sklavin
überreichte sie ihr die Schachtel, und sagte dabei, sie käme soeben von einem
sehr geschickten persischen Arzt, der neulich erst in Damask angelangt wäre,
und den sie über die Krankheit ihrer lieben Naam zu Rat gezogen hätte.
"Er hat vollkommen die Art Eurer Krankheit erkannt," fuhr sie fort,
"und seinem Sohn befohlen, für Euch einen Trank zu bereiten, welcher in
dieser Schachtel enthalten ist. – Es gibt in ganz Damask keinen schönern und
wohl gebildeteren Jüngling, als der Sohn dieses Arztes ist, noch einen Laden,
welcher mit dem seinigen zu vergleichen wäre."
Naam empfing die Schachtel aus den Händen der Alten. Kaum
hatte sie die Augen auf den Deckel geworfen, als sie die Handschrift und den
Namen ihres geliebten Herrn erkannte. Sie verwandelte bei diesem Anblick ihre
Farbe, und zweifelte nicht, dass der Herr dieses Ladens eigens von Kufah
gekommen wäre, um zu erforschen, was aus ihr geworden sein möchte.