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805. Nacht

Hierauf wandte er sich zu Naama und sprach: „Wenn
Eure Sklavin Euch nicht zurückgestellt wird, so könnt ihr Euch zehn von den
meinigen auswählen, und ebenso viele von denen des Befehlshabers der Wache, um
Euch für Euren Verlust zu entschädigen.“

„Eilt doch,“ rief er dem Befehlshaber zu,
„und forscht der Sklavin Naamas nach!“

Der Befehlshaber der Wache ging hinaus, und stellte sich,
als wenn er den eben empfangenen Befehl vollzöge.

Naama, von Leid überwältigt, und ein Raub der
grimmigsten Verzweiflung, begab sich zu seinem Vater. Obwohl er erst vierzehn
Jahre alt war, und seine Wangen kaum mit einem leichten Flaum bedeckt waren, so
schien ihm das Leben doch unerträglich. Er vergoss Ströme von Tränen, und
wollte die Orte, welche ihm so teure Erinnerungen zurückriefen, nicht
wieder sehen. Seine Mutter war höchst beunruhigt über seinen Zustand, und
brachte die ganze Nacht zu, mit ihm zu seufzen und zu weinen. Sein Vater suchte
vergeblich ihn zu trösten, indem er ihm vorstellte, dass, allem Anschein nach,
der Statthalter selber ihm seine Sklavin hätte entführen lassen, und dass er
sie vielleicht bald wiederbekommen würde. Der junge Mann war unempfindlich für
alles, und unfähig, irgend einen Trost anzunehmen. Sein Leid wuchs dermaßen,
dass sein Verstand sich verwirrte. Er wusste nicht mehr, was er sagte, und
kannte nicht mehr diejenigen, die zu ihm kamen. In diesem Zustand schmachtete er
drei Monate. Vergeblich ließ Rabia die geschicktesten ärzte zu seinem Sohn
kommen. Sie sagten alle einstimmig, dass allein die Gegenwart der jungen Sklavin
ihn zu retten vermöchte.

Eines Tages, als Rabia, immer mehr und mehr durch den
Zustand seines Sohnes beunruhigt, fast an seinem Leben verzweifelte, hörte er
vn einem berühmten, und in der Sterndeutung sehr geschickten persischen Arzt,
welcher eben zu Kufah angekommen war. Er bat seine Frau, ihn kommen zu lassen:
„Vielleicht,“ sagte er zu ihr, „weiß dieser Arzt ein Mittel,
unsern Sohn zu retten.“

Es wurde sogleich nach dem Arzt geschickt. Als er eintrat,
ließ Rabia ihn neben dem Bett seines Sohnes nieder sitzen, und bat ihn, seine
Krankheit zu untersuchen.

Der persische Arzt nahm die Hand des jungen Mannes,
befühlte seine Glieder, eins nach dem andern, und nachdem er die Züge seines
Angesichts genau betrachtet hatte, lächelte er, und sagte zu dem Vater:

„Die Krankheit Eures Sohnes hat ihren Sitz im
Herzen.“

„Ihr habt Recht,“ sagte Rabia überrascht und
sogleich erzählte er dem Arzt, was Naama widerfahren war.

„Die junge Sklavin, von welcher ihr mir sagt,“
sprach der Arzt, „ist gegenwärtig zu Balsora oder zu Damask und wir haben
kein anderes Mittel, Euren Sohn zu retten, als ihn wieder mit ihr zu
vereinigen.“

„Wenn ihr das bewerkstelligen könnt,“ sagte
Rabia, „so steht mein ganzes Vermögen Euch zu Gebot, und ich verspreche
Euch zum glücklichsten Mann zu machen.“

„Was mich betrifft,“ sagte der Perser, „ist
das am wenigsten dringende.“ Und sich zu Naama wendend sagte er: „Seid
guten Mutes, mein Kind, bald soll Euch geholfen werden.“

Er fragte hierauf Rabia, ob er über viertausend
Goldstücke gebieten könnte. Rabia hole sie auf der Stelle herbei und übergab
sie ihm.

„Meine Absicht ist,“ sagte nun der Arzt,
„Euren Sohn nach Damask zu führen, und ich schwöre Euch, nicht ohne die
Sklavin, welcher er so ergeben ist, zurück zu kommen.“