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797. Nacht

Der Kaufmann erwiderte, das wäre nicht in der Ordnung,
und er würde nur dem Eigentümer und nicht dem Mäkler bezahlen. Der Kalif ging
nun wieder zu dem Eigentümer. Da er ihn aber nicht finden konnte, so kam er
zurück, und gab sich selber für den Eigentümer aus. Der Kaufmann wollte ihm
schon das Geld auszahlen, aber als er nochmals den Diamant betrachtete, sah er,
dass er falsch1) war.

„Wie, Spitzbube,“ rief er sogleich aus, „Du
bist so frech, auf öffentlichem Markt betrügen zu wollen! Du weißt wohl
nicht, dass die Betrüger hier mit dem Tod bestraft werden?“

Die anderen Kaufleute liefen auf diese Worte sogleich
herbei, fielen über den Kalifen her, banden ihn, und führten ihn vor den
König von Oman. Dieser Fürst, nachdem er die Anklage, und ihre Bestätigung
durch die Zeugen vernommen hatte, verurteilte den Angeklagten, auf der Stelle
gehängt zu werden.

Man legte ihm sogleich eine Kette um den Hals, enthüllte
ihm den Kopf, und führte ihn durch die Stadt, und ein Beamter ging voraus und
rief aus:

„Diese Behandlung ist nur der Anfang der Bestrafung
derjenigen, die das Volk und die Kaufleute auf öffentlichen Plätzen und unter
den Augen des Königs betrügen!“

Der Kalif dachte über sein Schicksal nach, und sprach bei
sich selber:

„Ich habe nicht im Dienst eines Speisewirts bleiben
wollen: Ich habe mich zum Mäkler gemacht, und für meine Mühe soll ich nun
gehängt werden! Aber ich darf mich deshalb nicht beklagen: Alles dieses ist nur
die Erfüllung meines Schicksals.“

Als man auf der Stelle angekommen war, wo die Hinrichtung
geschehen sollte, knüpfte man dem Kalifen den Strick um den Hals, und fing an
zu ziehen. Indem er so emporstieg, öffnete er die Augen, und sah sich im
Begriff aus dem Becken zu steigen, in Gegenwart des Arztes, des jungen Mannes
und des Wesirs, welche ihn alle anblickten.

Der Wesir trat sogleich lächelnd zu ihm heran, und
reichte ihm die Hand

„Warum lachst Du?“, fragte ihn der Kalif.

„Ich lache über meine Abenteuer,“ antwortete
der Wesir, „denn ich bin ein Weib gewesen, habe mich verheiratet und sieben
Kinder geboren.“

„Nun wohl,“ fuhr der Kalif fort, „Du
liebtest Deine Kinder und wurdest von ihnen geliebt. Du hast Leiden und Freuden
erfahren: Aber ich komme jetzt gerade vom Galgen her.“

Der Kalif und der Wesir erzählten sich hierauf ihre
Abenteuer. Alle die gegenwärtig waren, lachten sehr darüber, und verwunderten
sich über die Macht des Arztes. Der Kalif lud ihn ein, bei ihm zu bleiben, und
überhäufte ihn mit Ehren und Gütern.

Er ließ hierauf den Kadi holen, um den Heiratsvertrag
seiner Tochter aufzusetzen.

Diese Hochzeit wurde durch Feste und öffentliche
Lustbarkeiten gefeiert. Der Arzt und der junge Mann, dem er so große Dienste
geleistet hatte, blieben stets innig verbunden, und genossen ihr ganzes Leben
lang des vollkommensten Glücks.

Als Scheherasade diese Geschichte geendigt hatte, sagte
ihre Schwester Dinarsade zu ihr:

„Ich weiß nicht, meine Schwester, ob der Sultan von
Indien meiner Meinung ist, aber mich dünkt, ich höre Deine Erzählungen immer
mit neuem Vergnügen.“

Der Sultan bezeugte, er dächte wie Dinarsade, und
Scheherasade kündigte sogleich an, dass sie in der nächsten Nacht die
Geschichte von Naama und Naam erzählen würde.


1) Nämlich, nach der
arabischen Urschrift, von findarusa suda, schwarzem Gummi.