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795. Nacht

Während der Wesir so über sein Abenteuer nachdachte,
trat ein Fischer hervor, legte ihm die Hand auf die Schulter, und sprach:

„Glücklicher Tag! Eines solchen Fanges hatte ich
mich nicht versehen! Wie schön sie ist! Es ist ein Meerfräulein, und der
Himmel sendet sie mir ausdrücklich, um sie meinem Sohn zur Frau zu geben: Ein
Fischer kann keine passendere Gelegenheit finden.“

„Wie!“, sagte der Wesir bei sich, als er diese
Worte gehört hatte, „nachdem ich Wesir gewesen, soll ich das Weib eines
Fischers werden! Konnte ich mich eines solchen Schicksals versehen? Wer wird
gegenwärtig dem Kalifen Rat erteilen? Wer wird sein Reich verwalten? Aber Gott
ist der Urheber aller Begebenheiten, in seinen Willen muss man sich
ergeben.“

Der Fischer war so zufrieden mit diesem Fang, dass er
nicht weiter an sein gewöhnliches fischen dachte. Er führte das Meerfräulein
mit sich, und brachte sie nach seiner nahe am Ufer gelegenen Hütte.

„Ein glücklicher Fang!“, rief er beim Eintreten
seiner Frau zu, „seit langer Zeit treibe ich das Gewerbe eines Fischers,
aber niemals bin ich so glücklich gewesen, wie heute! Ich habe soeben ein
Meerfräulein gefangen. Wo ist unser Sohn? Diese Frau ist eigens für ihn
bestimmt, und ich will sie ihm zur Gattin geben.“

„Er ist ausgegangen, die Kuh weiden zu lassen, und
mit ihr zu ackern,“ antwortete die Frau des Fischers, „in einem
Augenblick wird er wieder hier sein.“

Der junge Mensch kam wirklich bald darauf heim.

„Verflucht sei dieses Abenteuer!“, sagte leise
der Wesir, als er ihn erblickte, „diese selbige Nacht noch soll ich die
Frau dieses Laffen werden! Vergeblich würde ich diesen Leuten hier sagen: ‚Was
macht Ihr? Ihr seid im Irrtum: Ich bin der Wesir des Kalifen.‘ Sie würden mir
doch nicht glauben, denn ich habe das Ansehen eines Weibes. Ei, ei! Welchen
Dingen habe ich mich ausgesetzt! Was bedurfte ich einer solchen
Ergötzlichkeit?“

„Junge,“ sagte der Fischer zu seinem Sohn,
„du musst unter einem glücklichen Gestirn geboren sein. Der Himmel sendet
Dir hier, was er noch keinem vor Dir gesendet hat und wahrscheinlich auch keinem
nach Dir senden wird. Hier ist ein Meerfräulein, welches ich Dir zuführe. Du
bist jung, noch unverheiratet, mache sie diese Nacht zu Deiner Frau.“

Der junge Mensch war so vergnügt über dieses Erbieten,
dass er Mühe hatte zu glauben, dass sein Glück kein Traum wäre. Er heiratete
seine Braut noch denselben Abend, und sie wurde schwanger von ihm. Nach Verlauf
von neun Monaten gebar sie einen starken Sohn, welchen sie säugen musste. Sie
wurde bald darauf wieder schwanger, und brachte so nach und nach sieben Knaben
zur Welt.

Der Wesir war endlich dieser Lebensart überdrüssig, und
sprach jetzt bei sich selber:

„Wie lange soll diese verfluchte und ängstliche
Verwandlung noch dauern? Kann ich denn nicht wieder heraus aus diesem Zustand,
in welchen ich aus übergroßer Gefälligkeit und Neugier geraten bin? Ich muss
wieder ans Ufer gehen, wo ich angelandet bin, und mich ins Meer stürzen. Ich
will lieber umkommen, als länger solches Elend ertragen.“

Als der Wesir diesen Entschluss gefasst hatte, begab er
sich ans Ufer des Meeres, und stürzte sich ins Wasser. Er wurde sogleich von
einer Woge aufgenommen und mitten durch die Fluten gezogen. Als er hierauf den
Kopf emporhub, fand er sich in dem Becken sitzend, und sah den Kalifen, den Arzt
und die ganze Versammlung um sich her, die ihn aufmerksam betrachteten.