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780. Nacht
„Was habe ich denn Heykar Böses getan,“ rief
der König aus, „um zu verdienen, dass er meine Wohltaten mit solcher
Treulosigkeit vergilt!“
„Herr,“ sagte der hinterlistige Nadan darauf,
„Euer Majestät überlasse sich nicht zu frühzeitig diesem Schmerz:
Wartet, bis die Tat solche Anzeigen bestätigt, und ihr Euch mit Euren eigenen
Augen von Heykars Verrat überzeugen könnt. Nur auf der Ebene von Baschrin wird
Euch dieses Geheimnis aufgeklärt werden.“
Als der Donnerstag gekommen war, begab sich Sencharib, auf
Nadans Rat, mit den Großen seines Hofes und in Begleitung eines zahlreichen
Gefolges und der Truppen des Palastes, nach der Ebene von Baschrin. Dort
angelangt, sah er Heykar an der Spitze eines in Schlachtordnung gestellten
Heeres.
Kaum hatte dieser den König erblickt, als er in seinem
unbeschränkten Diensteifer und im Wahn, dass er nur genau die in dem
untergeschobenen Brief Nadans ihm vorgeschriebenen Befehle seines Herrn
erfüllt, den Truppen das Zeichen gab, auf die Begleitung des Königs
loszustürzen: Er wusste nicht, welchen Abgrund ihm sein Neffe unter seinen
Füßen gegraben hatte.
Zeuge dieser Handlung des Wesirs, konnte der König weder
seine Bestürzung noch seinen Zorn verbergen. „Ihr seht mit Euren eigenen
Augen,“ sagte nun Nadan, „alles was der Verräter Heykar im Stande
ist, gegen Euer Majestät zu unternehmen. Aber, verbannt alle Furcht. Euer
Palast ist ein sicherer Zufluchtsort, kehrt dahin zurück. Es ist meine Sorge
Euch den Schuldigen mit gebundenen Händen und Füßen vorzuführen.“
Der Rat wurde befolgt: Sencharib kehrt nach seinem Palast
zurück, und Nadan begibt sich eilig zu seinem Oheim, und spricht im Namen des
Königs zu ihm:
„Der König ist mit Euch zufrieden, er erteilt der
Genauigkeit, mit welcher ihr seine Befehl soeben ausgeführt habt, die größten
Lobsprüche. Gegenwärtig will er, dass Ihr Eure Truppen umkehren lasst, und ihr
selber, an Händen und Füßen mit Ketten belastet, vor seinem Thron erscheint,
damit die Gesandten von ägypten, welche hier Zeugen Eurer Macht gewesen, es
auch von Eurer Unterwerfung seien. Diese Fremdlinge können hieraus die ganze
Ehrfurcht ermessen, welche die Hoheit des Königs von Assyrien den
Großwürdenträgern des Reiches einflößt, und sie werden die Kunde davon an
den Hof Pharaos bringen.“
Heykar antwortete auf diese hinterlistige Rede durch neue
Beteuerungen seines Gehorsams in allem, was Sencharibs Wille wäre. Er ließ
sich sogleich die Füße und Hände binden und durch Nadan nach dem Palast des
Königs führen, und hier neigte er, in der Gebärde der tiefsten
Unterwürfigkeit, seine Stirn bis auf den Boden.
Als Sencharib ihn so zu seinen Füßen sah, warf er ihm
mit Heftigkeit seinen Undank vor, und zeigte ihm die beiden Briefe, welche in
seinem Namen und mit seinem Petschaft besiegelt, an die Könige von Persien und
ägypten geschrieben waren.
Bei diesem Anblick wurde Heykar bestürzt. Sein Geist
verwirrte sich, alle seine Glieder zitterten, die Zunge klebte ihm fest am
Gaumen, und vergeblich wollte er seine so lange bewährte Weisheit zu Hilfe
rufen: Er konnte kein einziges Wort hervorbringen. So stand er mit gesenktem
Haupt in stummer Bestürzung.
Der erzürnte König legte dieses Stillschweigen zu seinem
Nachteil aus, und befahl, ihn mit dem Tod zu bestrafen.
Und jetzt fügte Nadan auch noch Niederträchtigkeit zu
der tiefsten Verworfenheit, und überhäufte seinen Oheim mit Schmähungen:
„Nichtswürdiger Heykar,“ wagte er, ihm
zuzurufen, „was hilft dir nun Deine Spitzbüberei? Welchen Lohn erwartest
Du von dem Verrat, welchen Du gegen Deinen Wohltäter und Herrn
anstiftetest?“