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774. Nacht

Derselbe Mensch öffnete nochmals. Ihm folgten jetzt aber
vier oder fünf andere mit Stöcken bewaffnete Knechte, welche unbarmherzig auf
mich losschlugen, dass ich beinahe tot auf dem Platz geblieben wäre.

Als ich wieder zu mir kam, begann ich darüber
nachzudenken, was mir am vorigen Tag begegnet war, und welches Benehmen man
jetzt gegen mich beobachtete, und ich zog daraus den Schluss, dass ich, weil man
sich meiner entledigen wollte, sehr zufrieden sein müsste, noch so gut davon
gekommen zu sein. Aber ich konnte mich nicht enthalten, mein hartes Schicksal zu
beweinen. Ich wollte nicht nach der Stadt, welche ich verlassen hatte,
zurückkehren, und nahm meinen Weg nach ägypten. Gestern Abend kam ich hier in
Kairo an. Es war Nacht, und ich ging durch eine abgelegene Straße, als ich das
Geschrei eines Mannes vernahm, der ermordet wurde. Die Meuchelmörder, von den
Polizeidienern verfolgt, flohen nach meiner Seite hin, und ich wurde mit ihnen
verhaftet. Da ich in der Stadt unbekannt war, so schloss man daraus, ich wäre
einer der Mitschuldigen, und führte mich ins Gefängnis.

Ihr seht nun, Herr, dass, wenn ich auch unschuldig an dem
angeschuldigten Verbrechen bin, ich doch nicht minder den Tod verdiene, weil ich
einem Mann seine Frau entführt habe, und ich halte mich dadurch nicht für
abgestraft, dass ich selber von dieser Treulosen bin betrogen worden.“

Gerührt durch die Reue, welche der junge Mann von Bagdad
bezeugte, schenkte ihm Selim die Freiheit, und riet ihm, nicht zu wiederholen,
was für ihn so trübselige Folgen gehabt hatte.

Der junge Sultan hatte, nicht ohne tiefen Verdruss, die
schlechte Aufführung seines Weibes vernommen. Aber er wurde nun durch kein
Bedenken mehr zurückgehalten, sondern nahm eine andere Gemahlin, welche ihn
nach neun Monaten zum glücklichen Vater machte.

Man feierte zu Kairo durch allerlei Freudenfeste die
Ankunft des Neugeborenen. Die Geburt dieses Sohnes schien den Sultan seinen
Untertanen noch teurer zu machen und Selim seinerseits vernachlässigte nichts,
um ihre Ruhe und ihr Glück zu sichern. Eine Menge von Polizeibeamten war mit
Aufrechterhaltung der guten Ordnung beauftragt, und er selber durchstreifte oft
die Stadt und die Umgegend, um sich zu versichern, dass alles in guter Ordnung
wäre.

Eines Tages, als er, in Begleitung seines Wesirs und
seiner Wache, um die Gärten in der Nähe der Stadt ging, hörte er ein Geschrei
ausstoßen: Er trat näher, um zu entdecken, woher es käme, als eine sehr
hübsche Frau, welche er sogleich erkannte, sich ihm zu Füßen stürzte, und
mit Bescheidenheit und Sittsamkeit zu ihm sprach:

„Herr, ich komme Eure Gerechtigkeit anzuflehen!“

Selim befahl ihr, aufzustehen und ihm zu folgen und ging
mit ihr nach dem Haus, woher das Geschrei kam. Dort erblickte der Sultan zwei
starke Sklaven mit Ochsenziemern in den Händen und die Frau sprach:

„Das sind die Männer, gegen welche ich den Schutz
Euer Majestät anflehe.“

Hierauf trat ein junger Mann, welcher der Herr des Hauses
zu sein schien, ehrerbietig vor ihn hin, und sprach zu ihm:

„Herr, wenn ihr all die Frevel dieser Elenden
wüsstet, so würdet ihr es nicht verhindern, dass sie die gerechte Strafe ihrer
Schandtaten erhielte: Es würde mir sehr leicht sein, Euer Majestät davon zu
überzeugen, wenn ihr geruht, mir einen Augenblick Eure Aufmerksamkeit zu
schenken.“

Der König, welcher in dieser Frau diejenige erkannte,
welche er zu Bagdad geheiratet hatte, erlaubte ihm zu reden, und der junge Mann
begann nun folgendermaßen: