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762. Nacht

Am folgenden Morgen ganz früh eilte der Chodschah herbei
und öffnete die Türe. Der junge Mann kam ihm entgegen und küsste ihm die
Hand. „Auf, auf,“ sagte der Chodschah, „lasst uns schleunig zum
Kadi gehen!“

„Was soll ich bei dem Kadi?“, entgegnete der
Prinz.

„Ei nun, Ihr sollt meine Frau verstoßen.“

„Eure Frau verstoßen? Ich werde mich wohl davor
hüten. Das ist nicht der Brauch meines Landes, wenn man in ägypten eine Frau
genommen hat, so behält man sie.“

„Was soll das bedeuten?“, rief der Chodschah
aus, „dürfte ich mich eines solchen Betragens von Eurer Seite
versehen?“

Aber alle seine Vorstellungen waren vergeblich: Selim
blieb unerschütterlich in seinem gefassten Entschluss.

Hierauf rannte der Mann zu dem Kadi, und trug ihm die
bedenkliche Lage vor, in welcher er sich befand. Dieser Beamte antwortete ihm,
wenn der Hülla in seinem gefassten Entschluss beharrte, so gäbe es kein
gesetzliches Mittel, ihn zur Verstoßung seiner Neuvermählten zu zwingen.

Der Verdruss des armen Chodschah über den Verlust seiner
Frau war so groß, das er ernstlich krank wurde. Da ließ er den jungen Prinzen
an sein Bett kommen und sprach zu ihm:

„Alles was ich jetzt erleide, ist Euch nicht
zuzurechnen, und ich würde Unrecht tun, Euch einen Fehler vorzuwerfen, welchen
ich begangen habe. Als ihr mir die verlorene Börse mit so viel
Uneigennützigkeit wiedergabt, tat ich unvorsichtigerweise folgenden Ausruf zu
Gott: ‚O Herr! Ist alles, was ich besitze, wohl hinreichend, so viel Redlichkeit
zu belohnen?‘ Ihr seht, der barmherzige Gott hat nur zu genau mein Gebet
erhört, da ihr in einem Augenblick Herr des größten Teils meines Vermögens
geworden seid, und er Euch sogar auch meine Frau gegeben hat. So will es das
Schicksal. Ich nehme alle hier Gegenwärtigen zu Zeugen, dass ich Euch vollends
eine Schenkung von allem mache, was ich nachlassen werde.“

Nach drei Tagen gab der Chodschah seine Seele an Gott
zurück, und der junge Prinz wurde äußerst reich. Er lebte mit seiner Frau
mehrere Jahre im besten Einverständnis, und nichts trübte diese auf sonderbare
Weise geknüpfte Ehe, als ein unerwartetes Ereignis Selims Seele in Traurigkeit
versetzte.

Sobald seine Ehe anerkannt war, hatte er das
Schneiderhandwerk aufgegeben. Er hatte zahlreiches Hausgesinde in Dienst
genommen, er bewirtete bei sich die liebenswürdigsten jungen Leute von Bagdad,
und sein Haus war der Sammelplatz der besten Gesellschaft in dieser Stadt
geworden.