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76. Nacht

Sindbad sagte, seine Geschichte fortsetzend, zu seiner
Gesellschaft:

„Als mich der Schiffshauptmann so reden hörte, rief
er aus. „Wem soll man heutzutage noch trauen? Treu‘ und Glauben sind nicht
mehr unter den Menschen zu finden. Ich habe mit meinen eigenen Augen Sindbad
umkommen sehen, die Reisenden, die ich an Bord hatte, sahen es gleich mir, und
doch wagt ihr, zu sagen, dass ihr dieser Sindbad seid! Welche Kühnheit! Eurem
Aussehen nach sollte man euch für einen rechtschaffenen Mann halten, und doch
sagt ihr eine abscheuliche Unwahrheit, um euch eines Gutes zu bemächtigen,
welches euch nicht gehört.“ – „Geduldet euch,“ entgegnete ich
dem Hauptmann, „und habt die Güte, anzuhören, was ich euch zu sagen
habe.“ – „Nun wohlan,“ versetzte er, „was habt ihr zu sagen?
Redet, ich höre.“ Hierauf erzählte ich ihm, auf welche Art ich mich
gerettet und durch welches Abenteuer ich die Stallleute des Königs Maha-radjah
getroffen hätte, und von ihnen an dessen Hof geführt worden wäre.

Er fühlte sich durch meine Worte erschüttert, und war
bald überzeugt, dass ich kein Betrüger wäre, denn es kamen Leute, die mich
erkannten, mich lebhaft begrüßten und mir ihre Freude, mich wieder zu sehen,
bezeigten. Endlich erkannte auch er mich und sagte zu mir, indem er sich an
meinen Hals warf: „Gott sei dafür gelobt, dass ihr einer so großen Gefahr
glücklich entgangen seid. Ich kann euch die Freude, die ich darüber empfinde,
nicht genügsam ausdrücken. Hier ist euer Gut, nehmt es, es gehört euch. Macht
damit, was euch beliebt.“ Ich dankte ihm, lobte seine Rechtlichkeit und um
sie zu belohnen, bat ich ihn, einige Waren anzunehmen, die ich ihm anbot, aber
er schlug sie aus.

Ich wählte das Kostbarste aus meinen Ballen und machte
dem König Maha-radjah ein Geschenk damit. Da dieser Fürst von meinem Unfall
unterrichtet war, so fragte er mich, wo ich so seltene Dinge her hätte. Ich
erzählte ihm, durch welchen Zufall ich wieder zu ihrem Besitz gekommen wäre.
Er nahm mein Geschenk an und machte mir weit beträchtlichere. Hierauf nahm ich
Abschied von ihm und schiffte mich auf demselben Fahrzeug wieder ein, aber vor
meiner Einschiffung vertauschte ich die mir übrig gebliebenen Waren gegen
andere Landeserzeugnisse. Ich nahm Aloe- und Sandelholz mit mir, Kampfer,
Muskatnüsse, Gewürznägelein, Pfeffer und Ingwer. Wir schifften bei mehreren
Inseln vorbei, und landeten endlich in Balsora, von wo ich in diese Stadt mit
dem Wert von ungefähr tausend Zeckinen heimkehrte und meine Familie mit allen
Entzückungen wieder sah. Ich kaufte Sklaven von beiden Geschlechtern, schöne
Landgüter, und machte ein ansehnliches Haus. Auf solche Weise richtete ich mich
ein, entschlossen, die erlittenen übel zu vergessen und die Freuden des Lebens
zu genießen.“

Nachdem Sindbad hier inne gehalten hatte, befahl er den
Tonkünstlern, ihr durch seine Erzählung unterbrochenes Konzert wieder
anzufangen. Man fuhr mit Essen und Trinken bis zum Abend fort, und als es Zeit
war, auseinander zu gehen, ließ sich Sindbad eine Börse von hundert Zeckinen
bringen und sagte, indem er sie dem Lastträger gab, zu diesem: „Nimm,
Hindbad, geh‘ nach Hause und komme morgen wieder, um die Folge meiner Abenteuer
zu hören.“ Der Lastträger entfernte sich, sehr bestürzt über die Ehre
und das Geschenk, die ihm zu Teil geworden waren. Der Bericht, den er davon zu
Hause abstattete, war seiner Frau und seinen Kindern sehr angenehm, und sie
unterließen nicht, Gott für das Gute zu danken, was seine Fürsorge ihnen
durch Sindbad hatte zukommen lassen.

Hindbad kleidete sich am folgenden Tag netter, als am
vorhergegangenen und kehrte zu dem freigebigen Reisenden zurück, der ihn mit
freundlichem Gesicht und tausend Liebkosungen aufnahm. Sobald alle Gäste
beisammen waren, wurde aufgetragen und lange Zeit getafelt. Nach beendigtem
Mahle nahm Sindbad das Wort und sagte, indem er sich an die Gesellschaft wandte:
„Ihr Herren, ich bitte euch, mir Gehör zu gönnen und die Abenteuer meiner
zweiten Reise anzuhören. Sie sind eurer Aufmerksamkeit werter, als die der
ersten.“ Alle schwiegen, und Sindbad ließ sich folgendermaßen vernehmen:

Zweite
Reise
Sindbads des Seefahrers nach Ceylon

„Nach meiner ersten Reise, wie ich die Ehre hatte,
euch gestern zu sagen, hatte ich den Entschluss gefasst, den überrest meiner
Tage ruhig in Bagdad zuzubringen. Aber es währte nicht lange, so langweilte
mich das müßige Leben. Ich bekam wieder Lust, aufs Neue über Meer zu reisen
und zu handeln. Ich kaufte Waren ein, die sich zu dem beabsichtigten Handel
eigneten, und reiste zum zweiten Mal mit Kaufleuten ab, deren Rechtlichkeit mir
bekannt war. Wir schifften uns auf einem guten Fahrzeug ein, und nachdem wir uns
Gott befohlen hatten, begannen wir unsere Seefahrt.

Wir schifften von Inseln zu Inseln und machten sehr
vorteilhafte Tauschgeschäfte. Eines Tages landeten wir an einer dieser Inseln,
die mit verschiedenen Gattungen von Fruchtbäumen bedeckt, übrigens aber so
öde war, dass wir auf ihr weder Häuser noch Einwohner entdeckten. Wir gingen
und schöpften Luft auf den Wiesen und längs der Bäche, welche sie
bewässerten.

Während einige sich damit vergnügten, Blumen, andere,
Früchte zu pflücken, nahm ich mir von dem mitgenommenen Mundvorrat und Wein
und setzte mich an ein fließendes Wasser unter den schönen Schatten hoher
Bäume. Ich hielt von dem, was ich hatte, eine ziemlich gute Mahlzeit, nach
welcher der Schlaf sich meiner bemächtigte. Ich kann euch nicht sagen, wie
lange ich schlief, aber als ich erwachte, sah ich das Schiff nicht mehr vor
Anker.“

Hier war Scheherasade genötigt, ihre Erzählung zu
unterbrechen, weil sie sah, das der Tag anbrach, aber in der nächsten Nacht
fuhr sie folgendermaßen in der Erzählung von Sindbads zweiter Reise fort: