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750. Nacht

Am folgenden Tag, nachdem die Nacht unter Festen und
Vergnügungen, bei glänzenden Erleuchtungen, wodurch die Einwohner von Damask
die Ankunft des Großwesirs feierten, vergangen war, trat dieser seine Rückkehr
nach Bagdad an. Die Neuvermählte bestieg eine prächtige Sänfte, welche ihr
Vater für sie hatte bereiten lassen. Zur Stunde des Asr (Gebets) setzte sich
der ganze Zug unter dem Schall der Trompeten in Bewegung. Der Statthalter und
die vornehmsten Einwohner begleiteten den Wesir bis nach Kobbal-al-Aßafir.

Auf dem Rückweg begegneten sie Attaf, welcher dem Zug
nachritt, um Abschied von dem Wesir zu nehmen. Abdel-Malek äußerte ihm seine
Verwunderung, dass er sich nicht den Einwohnern von Damask angeschlossen hätte.
Er antwortete, er hätte geglaubt, noch zeitig genug zu kommen, und sich eilig
mit seinem Gefolge zu Pferde gesetzt, und nach dieser Beurlaubung entfernte er
sich, und beschleunigte seine Schritte.

Als er den Wesir eingeholt hatte, stieg er vom Pferd, und
sagte zu ihm: „Glück auf, Herr! Gott sei Dank, Euer Verlangen ist
erfüllt!“

„Ja, mein teurer Wirt,“ antwortete Giafar,
„und ich werde es nie vergessen, dass ich Eurer freundlichen Bemühung mein
Glück verdanke. Kehrt heim, und rechnet auf Giafars Erkenntlichkeit.“

Unterdessen entspann sich gegen diesen edlen Einwohner von
Damask eine Verschwörung, welche ihm bald verderblich zu werden drohte. Er
hatte beim Statthalter Feinde, welche diesen Umstand benutzten, ihn zu stürzen.

„Denkt ihr,“ sprach sie zu Abdel-Malek,
„dass Attaf, abgesondert von den übrigen Einwohnern, von dem Wesir
Abschied nimmt, ohne dabei eine Absicht zu haben? Ich Euch unbekannt, dass
dieser Minister mehrere Monate bei ihm gewohnt hat, ohne sich erkennen zu geben?
Ohne Zweifel nimmt er nur deshalb heimlich Abschied, um von wichtigen Dingen mit
ihm zu reden. Es sei denn, „dass er seine Frau wenigstens noch einmal sehen
will, denn Ihr müsst wissen, Herr, das Attaf sie seinem Gast zum Opfer gebracht
hat, um ihm den Hof zu machen und sich in Gunst bei ihm zu setzen: Und die
Statthalterschaft von Damask ist der Lohn, nach welchem er für so viel
Gefälligkeit trachtet.“

Diese treulosen Einflüsterungen machten einen tiefen
Eindruck auf Abdel-Malek, und von demselben Augenblick an war der Untergang
Attafs beschlossen.

Man ließ während der Nacht in seinen Garten den Leichnam
eines ermordeten Menschen legen: Und am folgenden Morgen verfügte sich einer
von des Statthalters Leuten zu Attaf, welcher verhaftet und vor Abdel-Malek
geführt wurde.

„Wie,“ sprach dieser zu ihm, „Ihr seid es, Herr
Attaf, den man eines Mordes anklagt? Ist es möglich, dass Ihr Euch einer
solchen Handlung schuldig gemacht habt?“

„Ja, Herr,“ antwortete Attaf, der verhindern
wollte, dass seine Nachbarn die Mordbuße bezahlen müssten1),
„ich allein habe ihn getötet, und ich allein bin also für die Buße
verhaftet, in welche ich verfallen bin.“

Aber Attafs edelmütige Absicht wurde durch die Bosheit
des Statthalters gegen ihn gekehrt, der sich nicht mit der Buße begnügen,
sondern die Vorschriften des Korans über das Wiedervergeltungsrecht in aller
Strenge gegen ihn angewendet wissen wollte. Um die Formen des peinlichen
Verfahrens zu beobachten, ließ er durch Zeugen bekunden, dass Attaf sich des
angeklagten Mordes für schuldig bekannt hätte. Zu gleicher Zeit ließ er
feststellen, dass derselbe, als er dieses Bekenntnis abgelegt, bei vollem
Verstand gewesen wäre. Jetzt forderte der Statthalter die Richter auf, ihre
Pflicht zu tun. Diese konnten nicht umhin, die Todesstrafe auszusprechen, und
Abdel-Malek befahl sogleich nach ihrem Urteilsspruch, den Scharfrichter kommen
zu lassen.

Als aber die Neuigkeit von Attafs Verurteilung sich in der
Stadt Damask verbreitete, so murrte man laut über den richterlichen Ausspruch
gegen diesen edelmütigen und bei dem Volk beliebten Mann, dergestalt, dass der
Statthalter es für rätlich erachtete, seine Hinrichtung noch aufzuschieben. Er
schickte ihn also ins Gefängnis, und ließ den Gefangenenwärter wissen, dass
er die Absicht hätte, den Verhafteten in der Nacht heimlich erdrosseln zu
lassen.


1) Wir erinnern hier, das das
Strafgesetzbuch der Muselmänner den Mörder verurteilt, eine Mordbuße zu
bezahlen. Wenn aber der Mord an einem bewohnten Ort begangen und der Schuldige
nicht auszumitteln ist, so müssen die Anwohner selber die Mordbuße entrichten.
Man begreift wohl den Grund dieser weisen Satzung, welche jedermann antreibt,
über die Sicherheit seiner Nachbarschaft zu wachen. Ebenso macht die
französische Gesetzgebung in gewissen Fällen die Ortsgemeinden für den
Schaden der auf ihrem Gebiet vorgefallenen Verbrechen.