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749. Nacht

Alle Kennzeichen, welche er ihm angab, ließen Attaf nicht
länger zweifeln, dass er seine eigene Frau gesehen hätte, welche ein von dem
Palast abgesondertes Sommerhaus bewohnte. Aber durchdrungen von edelmütiger
Hingebung säumte er nicht, den Wesir zu trösten, und sagte ihm, er kenne die
Frau, in welche Giafar verliebt wäre, und diese Frau wäre jetzt eben von ihrem
Mann verstoßen worden. Er fügte hinzu, er würde sogleich sein Mögliches tun,
dass der Vater sie nicht an einen andern verheiratete, und verließ Giafar, mit
dem Versprechen, bald wieder zu kommen und ihm Bescheid von dem Erfolg seiner
Werbung für ihn zu bringen.

Er begab sich unverzüglich nach der Wohnung seiner Frau.
Sie empfing ihn umso herzlicher, als er seit Giafars Ankunft von ihr getrennt
lebte. Attaf sagte zu ihr, er käme, sie zu benachrichtigen, dass ihre Mutter
sehr krank wäre, und sie sobald als möglich bei sich zu sehen wünschte.

Diese Neuigkeit erschreckte die junge Frau sehr, und sie
eilte, sich zu ihrer Mutter zu begeben, war aber sehr verwundert, zu sehen, dass
diese die erste war, welche ihr in dem väterlichen Haus entgegen trat. Sie
fragte sie, ob sie krank gewesen, und diese versicherte ihr, sie wäre gar nicht
unwohl gewesen, dann befragte sie auch ihren Vater, der ihr ebenfalls
versicherte, er hätte ihren Mann heute noch nicht gesehen.

Während dieser Erklärung hörte man an die Tür klopfen.
Lastträger traten herein, und sagten, sie kämen von Attaf, und brächten die
Kleider seiner Frau.

Dieser Auftrag versetzte die Familie in die größte
Bestürzung, und schon hatte der Vater den schmählichsten Verdacht auf seine
Tochter geworfen, welchem die Mutter abzuwenden strebte, als Attaf selber mit
mehreren Freunden eintrat.

Sein Schwiegervater fragte ihn um die Ursache seines
Betragens, und er antwortete ihm, er hätte durchaus keine Ursache, mit seiner
Tochter unzufrieden zu sein, aber die Unvorsichtigkeit begangen, ein Gelübde zu
tun, dass er sie verstoßen wollte.
Hierauf konnte er seine Tränen nicht zurückhalten, indem er sich von einer
geliebten Gattin trennte, und ihr die Morgengabe und die Verstoßungsurkunde
einhändigte.

Nachdem dies geschehen war, kehrte er in seinen Palast zu
Giafar zurück, und sprach zu ihm: „Ihr könnt jetzt ganz ruhig sein: Seid
versichert, dass die, welche ihr liebt, Euch nicht entgehen wird. Ich habe alles
aufs beste eingeleitet: Sucht nur, Euch zu zerstreuen und verbannt allen Kummer,
bis es so weit ist, dass ihr sie heiraten könnt.“

Diese Zusicherung machte den Wesir auf der Stelle wieder
gesund. Er dankte seinem Wirt für den ihm geleisteten Dienst, und dachte nur
noch darauf, sich zu ergötzen. Attaf verdoppelte jeden Tag seine Aufmerksamkeit
für ihn, um ihn mit Geduld den Augenblick abzuwarten zu lassen, wo er sich mit
seiner Geliebten vermählen konnte.

Als diese Zeit gekommen war, riet er Giafar, sich nach
einer benachbarten Stadt zu begeben, dort seine Verkleidung abzulegen, und
hierauf seinen Einzug in Damask, mit allem seinem Rang geziemenden Glanz, zu
halten.

„Ihr müsst,“ sagte er zu ihm, „unserm
Statthalter ankündigen lassen, ihr werdet, auf Befehl des Kalifen, Syrien
bereisen: Und er wird Euch die gebührenden Ehren erweisen, indem er vor der
Stadt Zelte aufschlagen lässt und Euch entgegen kommt. Hierauf könnt ihr um
diejenige werben, die ihr liebt, und dürft versichert sein, sie zu erhalten.
nach Eurer Vermählung kehrt ihr dann, im Besitz des Gegenstandes Eurer
Wünsche, heim nach Bagdad.“

Der Großwesir befolgte diesen Rat: Nachdem er sich von
Damask entfernt hatte, schickte er zwanzig Eilboten nach dieser Stadt, um dem
Statthalter anzukündigen, dass er die Hauptstadt von Syrien zu besuchen käme.

Abdel-Malek-Ebn-Merwan, welcher damals Statthalter war,
kam mit allen Behörden von Damask dem Minister eine halbe Tagesreise weit
entgegen, und empfing ihn unter den dazu aufgeschlagenen Zelten, wo ein
prächtiges Mahl bereitet war. Die ganze Bevölkerung von Damask, war dem Wesir
entgegen gegangen, und der Tag seines Einzuges war ein Festtag für die
Einwohner.

Seine erste Sorge war nun, nach dem Vater derjenigen zu
senden, in die er verliebt war: Er sagte zu ihm, er hätte die Schönheit und
den Verstand seiner Tochter so rühmen gehört, dass er sie zur Gemahlin zu
erhalten wünschte. Der Vater, geschmeichelt, dass der Großwesir eine
Verbindung mit ihm suchte, erklärte sich sogleich bereit, sie ihm zu
bewilligen. Der Statthalter von Damask wollte dem Großwesir den Hof machen, und
erbot sich, die Morgengabe der Neuvermählten zu übernehmen, und der Vater
erwiderte, er hätte sie schon empfangen. Giafar eröffnete seinem
Schwiegervater, dass er am folgenden Tag wieder abreisen würde und seine neue
Gemahlin mitzunehmen wünschte, sie müsste sich also bereit halten, ihm zu
folgen.

Der Vater eilte nun nach Hause, und verkündigte seiner
Tochter die glänzende Verbindung, welche er für sie eingegangen war. Aber die
verstoßene Frau, obwohl den Befehlen ihres Vaters gehorsam, war weit entfernt,
seine Freude zu teilen.