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738. Nacht

Als Herr dieser reichen kleinen Flotte segelte er mit ihr
nach Suez, wo er nach einer glücklichen zehntägigen überfahrt ans Land stieg.
Er ließ in diesem Hafen alle Waren ausschiffen und sie auf Kamele der Karawane
von Kairo laden, wohin er selber mit seiner Gattin reiste.

Bei seiner Heimkunft in dieser Hauptstadt ägyptens bezog
Jussuf ein prachtvolles Wohnhaus, und so wieder im Wohlstand, wandte er alle
seine Sorge an, seine erste Gattin wieder zu finden, von welcher er genötigt
gewesen war sich zu trennen. Aber vergeblich ließ er die genauesten
Nachforschungen anstellen. Er erfuhr dadurch bloß, dass während seiner
Abwesenheit seine Frau und seine Kinder in das tiefste Elend versunken waren.

Er baute hier auf folgendes Mittel, sie wieder zu finden. Er
ließ ein unermessliches Gastmahl bereiten und durch die öffentlichen Ausrufer
in der Stadt verkündigen, dass jeder Bedürftige dazu eingeladne wäre. Er
zweifelte nicht, wenn seine Gattin noch in Kairo wäre, dass sie sich bei dem
Festmahl einfinden würde; und versteckt in einem Winkel des Saales, beobachtete
er mit gespannter Aufmerksamkeit alle Eintretenden.

Seine Erwartung wurde nicht getäuscht: Bald sah er eine
Frau erscheinen, deren zwar durch das Elend entstellte Züge ihn jedoch seine
erste Gattin nicht verkennen ließen. Er befahl sogleich, sie in ein besonderes
Gemach zu führen, wo man ihr alle mögliche Aufmerksamkeit erwies. Er selber
säumte nicht, zu ihr zu gehen. Er fragte sie, was sie in diesen elenden Zustand
gebracht hätte, und konnte sich nicht länger verstellen, als er sie ihren
verlorenen Gatten beklagen und die Leiden schildern hörte, welche sie während
seiner Abwesenheit erduldet hatte. „Erkenne,“ rief er aus,
„denjenigen, den Du betrauerst: Es ist Jussuf selber, der vor Dir
steht.“

Bei diesen Worten sanken die beiden Gatten einander in die
Arme und ließen ihren Tränen freien Lauf.

Jussuf ließ nun seine Frau und seine Kinder ins Bad
führen und mit prächtigen Kleidern schmücken, dann stellte er sie der Tochter
des indischen Kaufmanns vor, welche auf sie einen Teil der Zuneigung zu ihrem
Mann übertrug. Die ganze Familie lebte lange glücklich und in dem besten
Einverständnis.“

Da Scheherasade sah, dass der Tag noch nicht anbrach, so
begann sie folgendermaßen die Geschichte des Prinzen Benasir:

Geschichte des Prinzen Benasir

„Es war einmal in Persien ein König, der hatte keine
Kinder, obwohl er schon seit langen Jahren verheiratet war. Endlich wurde die
Königin schwanger, und Freudenfeste feierten in dem ganzen Königreich dieses
glückliche Ereignis.

Als aber die Zeit der Geburt gekommen war und die Königin
die Kindeswehen fühlte, da war es unmöglich sie zu entbinden: Fruchtlos berief
man dazu die geschicktesten Personen, alle erklärten, man müsste die Mutter
oder das Kind aufopfern.

Der König und der ganze Hof waren trostlos, als ein Mann
erschien und sagte, er wüsste ein Mittel, der Königin eine glückliche
Niederkunft zu verschaffen. Aber vor allem forderte er, dass ihm das neugeborne
Kind überliefert würde, wenn es achtzehn Jahre alt wäre.

Der König, welcher in der ganzen Erscheinung dieses
Mannes etwas Grausames wahrnahm, weigerte sich lange, diese Forderung zu
bewilligen, aber sein Wesir redete ihm zu: Es würde ihm immer leicht sein, sich
von der Verbindlichkeit, welche er gegen diesen Unbekannten einginge, zu
befreien, und um seine Gemahlin und sein Kind zu retten, entschloss er sich, das
von ihm geforderte Versprechen zu leisten.