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733. Nacht

Der Ausrufer führte Jussuf zu demjenigen, der ihm die
Ausrufung der Börse aufgetragen hatte. Sie fanden einen ehrwürdigen Greis
unter vielen Büchern sitzen, welcher in tiefes Nachdenken versunken schien. Der
Ausrufer stellte ihm seinen Begleiter vor mit den Worten:

„Hier, mein Herr, ist derjenige, der gefunden hat,
was Ihr verloren habt, und er will Euch Eure Börse wiedergeben, wenn Ihr ihm
die Kennzeichen derselben angeben könnt.“

„Ich will sogleich tun, was Ihr verlangt,“ sagte
der Greis zu Jussuf.

„Nein, Herr,“ unterbrach ihn dieser sogleich,
„Euer Anblick flößt mir zu viel Zutrauen ein, als dass ich gegen euch
diese beleidigende Vorsicht gebrauchen sollte: Hier sind die tausend Zechinen,
welche Ihr verloren habt.“

Der Greis empfing seine Börse aus Jussufs Händen und
sprach mit feierlichem Ton zu ihm: „Junger Mann, Gott belohne Deine
Redlichkeit!“ Und hierauf las er eifrig weiter in einem Buch, welches er in
der Hand hielt.

Während der Andacht des Greises blieb Jussuf vor ihm
stehen in Erwartung, dass der Greis ihm die vom Ausrufer verheißene Summe geben
würde. Nach Verlauf einer Stunde erwachte der Greis wieder aus der tiefen
Betrachtung, in welche er versunken war, und fragte ihn, worauf er noch warte.

„Herr,“ antwortete ihm Jussuf, „man hat in
Eurem Namen demjenigen hundert Zechinen versprochen, der Euch Eure Börse
wiederbringen würde: Ich hätte sie behaltne können, ohne Euch etwas davon zu
sagen. Aber ich dachte, Gott würde mich für meine Redlichkeit belohnen, und
zweifelte nicht, dass Ihr mir gern den zehnten Teil von demjenigen, was ich Euch
wiederbringe, opfern würdet.“

„Euer Begehren ist nur zu gerecht,“ sagte der
Greis, „aber könntet ihr Euch nicht mit neunzig Zechinen begnügen?“

„Gerne, Herr,“ antwortete Jussuf, „wenn es
Euch so beliebt.“

Ohne etwas hinzuzufügen, fuhr der Greis in seinem Gebet
fort, und als er es beendigt hatte, fragte er Jussuf von neuem, auf was er noch
warte.

„Auf die neunzig Zechinen, welche Ihr mir versprochen
habt,“ antwortete ruhig Jussuf.

Der Greis nahm abermals sein Buch vor, und als er fertig
war, sprach er: „Mein junger Freund, würde eine Summe von achtzig Zechinen
Euch nicht eine hinreichende Entschädigung dünken?“

Der junge Kaufmann begnügte sich auch mit diesem
Anerbieten, und der Greis nahm zum vierten Mal sein Buch vor und bat ihn dann
abermals, sich eine Verminderung der Summe gefallen zu lassen. Kurz, erbrachte
es dahin, dass Jussuf sich mit einer Zeckine begnügte.

Jussuf wollte nun mit dieser geringen Belohnung weggehen,
als der Greis, um zu prüfen, wie weit er die Mäßigung treiben könnte, ihn
noch mit den Worten aufhielt: „Diese Zeckine ist eine Kleinigkeit.
überhebt mich, sie Euch zu geben: um Euch dafür zu entschädigen, will ich
Gott bitten, seinen Segen über Euch und Eure Nachkommenschaft zu
verbreiten.“

„Wohlan,“ sagte Jussuf, „ich bin damit
zufrieden: Inbrünstige Gebete verdienen wohl, dass man sie einigen
vergänglichen Gütern vorzieht.“

Hierauf legte der Greis mit feierlicher Gebärde seine
Hände auf den Kopf des jungen Mannes, und indem er sich gen Mekka wandte,
flehte er alle Segnungen des Allerhöchsten auf ihn herab.