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732. Nacht

Jussuf lebte einige Zeit von dem Geld, welches der
indische Kaufmann ihm gegeben hatte, als einer der Kaufleute, mit welchem er
Bekanntschaft gemacht, eines Tages ihm begegnete und zu ihm sprach:

„Herr, ich bin beauftragt, Euch einen Vorschlag zu
machen, welcher, wie ich glaube, Euch nicht missfallen wird. Einer unserer
Genossenschaft ist vor kurzen gestorben und hat ein ansehnliches Vermögen mit
einer Witwe hinterlassen, welche noch recht jung und hübsch ist: Diese komme
ich Euch zur Heirat anzutragen. Sie ist in aller Hinsicht Eurer Zuneigung
würdig, und ihre ansehnlichen Reichtümer werden Euch für Euer übriges Leben
Wohlstand zusichern.“

Dieses Anerbieten schmeichelte Jussuf zu sehr, als dass er
nicht mit Freuden hätte zugreifen sollen: Er dankte seinem großmütigen Freund
herzlich für den verbindlichen Antrag, welchen er ihm gemacht hatte, und
antwortete ihm, dass er von ganzen Herzen in die ihm erbotene Verbindung
willige.

Dieser begab sich nun zu der jungen Witwe und machte ihr
Jussufs Gesinnungen kund, und als alles verabredet war, wurde der Heiratsvertrag
geschlossen: Darin wurde festgesetzt, dass Jussuf von seiner Gattin Nahrung und
Unterhalt bekommen sollte, so dass er nichts für sich selber auszugeben
brauchte. Dagegen verpflichtete er sich, der Neuvermählten eine Morgengabe zu
entrichten, welche zwar nicht ansehnlich war, jedoch sein Vermögen weit
überstieg. Er überließ der Vorsehung die Sorge, ihm noch einst die Mittel zur
Bezahlung zu verschaffen, und glaubte, seine Armut umso eher verschweigen zu
müssen, als seine Gattin einen reichen Kaufmann in ihm zu haben wähnte.

Jussuf war beim Eintritt in das Haus der jungen Witwe
erstaunt über den Reichtum der Einrichtung desselben. Der Kadi, der
gegenwärtig war, vollzog die Vermählungsfeierlichkeit, und die beiden Gatten
wurden verbunden.

Jussuf erfreute sich mehrere Tage seines Glückes, jedoch
beunruhigte ihn der Gedanke, dass er die bedungene Morgengabe entrichten müsste
und gleichwohl nicht imstande wäre, das dazu benötigte Geld aufzubringen. Er
war schon mehrere Male im Begriff gewesen, seiner Frau diese Verlegenheit zu
gestehen, aber immer hatte die Scham ihn wieder davon abgehalten.

Eines Tages, als er zur Zerstreuung seiner Unruhe traurig
im Basar umherging, erblickte er zu seinen Füßen eine Börse und war auf dem
Gipfel der Freude, als er sah, dass sie eine mehr als hinreichende Summe
enthielt, um die versprochene Morgengabe zu bezahlen. Er zog sich in einen
Winkel zurück, und von niemand gesehen, zählte er tausend Zechinen, welche die
Börse enthielt. Er dankte Gott für die unerwartete Hilfe, welche er eben von
ihm empfangen hatte, als er auf dem Heimweg einen öffentlichen Ausrufer eine
Belohnung von hundert Zechinen demjenigen versprechen hörte, welcher eine
verlorene Börse wiederbringen würde.

Die Kundmachung des Ausrufers ließ Jussuf nicht zweifeln,
dass hier das von ihm gefundene Geld gemeint wäre, und sein Entschluss war
alsbald gefasst. Die Erziehung, deren er genossen, hatte ihm zu edle Grundsätze
eingeprägt, als dass er einen Augenblick hätte schwanken können. Er nahte
sich also dem Ausrufer und sprach zu ihm:

„Ich wünsche zu wissen, wer es ist, der das von Euch
ausgerufene Geld verloren hat.“

„Herr,“ versetzte der Ausrufer, „aus
welcher Ursache fragt Ihr danach?“

„Weil ich glaube, das Verlorene gefunden zu haben,
und es seinem rechtmäßigen Eigentümer wieder zustellen will,“ antwortete
Jussuf. „Seid so gut und führt mich zu ihm: Wenn er durch Angabe der
Kennzeichen mir beweist, dass die Börse ihm gehört, so will ich sie ihm auf
der Stelle zurückgeben.“

Die Leute, welche zugegen waren und das Gespräch Jussufs
mit dem Ausrufer hörten, bezeigten ihr Erstaunen und ihre Bewunderung über die
Redlichkeit des jungen Kaufmanns und wünschten ihm alles mögliche Heil.