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731. Nacht

Als Jussuf so auf einmal Hausvater geworden war, empfand
er bald lebhaft die Lasten der Haushaltung, woran er wenig gewöhnt war, obwohl
sein Vater ihm eine treffliche Erziehung gegeben hatte. Er hatte sich wenig mit
dem Handel beschäftigt, zu welchem ihn keine Neigung trieb, so dass er in den
ersten Jahren seines Ehestandes in völliger Untätigkeit blieb. Unterdessen
wuchs seine Familie jedes Jahr. Er hatte nach und nach von seiner Gattin zwei
Söhne und zwei Töchter. Auf der andern Seite hatte er während dieser Zeit das
Unglück, seinen Vater zu verlieren, dessen Rat ihm sehr nützlich hätte sein
können, und er empfand einen lebhaften Schmerz, als er sich von seinem Vater
getrennt sah, welchen er immer zärtlich geliebt hatte.

Da Jussuf auf die bisherige Weise fortlebte und keinen
Handel trieb, dessen Gewinn seine Ausgaben aufgewogen hätte, so geschah es,
obwohl er ansehnliche Güter von seinem Vater geerbt hatte, dass er genötigt
war, allmählich seine Habe zu verkaufen. Endlich sah er sich mit seiner Familie
dem Elend ganz nahe. Da vermochte er nicht länger den Anblick seiner Frau und
seiner Kinder zu ertragen und fasste den Entschluss, Kairo zu verlassen und sein
Glück anderswo zu suchen.

Von allen Hilfsmitteln entblößt, begab er sich im
Gefolge einer Karawane nach Sues. Er reiste mit einer ansehnlichen Gesellschaft
von Kaufleuten aus Yemen, Indien und China, welche sich in diesem durch seinen
unermesslichen Handel berühmten Hafen einschiffen wollten.

Als Jussuf in dieser Stadt angekommen war, fühlte er beim
Anblick der großen Reichtümer, welche sich überall seinen Augen darboten,
sein Elend noch tiefer. Der Hafen war mit Waren angefüllt und wimmelte von
Kaufleuten und Schiffsvolk, die alle ihren Geschäften nachgingen: Diese
Tätigkeit ließ Jussuf noch schmerzlicher bereuen, dass er seine Zeit so
verloren hatte.

Er starb fast vor Hunger und war beschäftigt, alles um
sich her zu betrachten, ohne irgend ein Mittel zu finden, um sich aus dem Elend
zu ziehen, als ein Kaufmann sich ihm näherte, welchen er an seiner Tracht für
einen Inder erkannte. Dieser Kaufmann, dessen Anblick Ehrfurcht einflößte,
bemerkte bald an Jussufs Aussehen, dass dieser junge Mann nicht glücklich war.
Er trat zu ihm heran und fragte ihn nach seinem Namen, Stand und Geburtsort.

„Herr,“ antwortete ihm Jussuf, „ich bin aus
Kairo gebürtig. Unglücksfälle, deren Erzählung für Euch zu lang sein
würde, haben mich gezwungen, diese Stadt zu verlassen, und ich bin nach Sues in
der Hoffnung gekommen, hier jemand zu finden, der sich meiner annähme und mich
in fremde Länder führte, wo ich mein Glück machen könnte.“

„Wohlan, mein Freund,“ fuhr der Kaufmann fort,
„mein Alter und meine Geschäfte erfordern, dass ich stets einen Begleiter
bei mir habe: Ich reise gegenwärtig nach Dschidda. Wollt Ihr mir dahin folgen,
so will ich Eure Reise bezahlen und Euch überdies noch täglich einen Piaster
geben.“

Jussuf in seiner verzweifelten Lage ergriff unbedenklich
diesen Antrag, und der Handel wurde auf der Stelle geschlossen.

Der Inder ließ seine Waren einladen, schiffte sich dann
selber mit seinem Gefährten ein, und nach einer sehr glücklichen überfahrt,
welche beinahe einen Monat währte, erreichten sie beide gesund und wohlbehalten
den Ort ihrer Bestimmung.

Der indische Kaufmann war mit dem Eifer und der
Tätigkeit, welche Jussuf ihm während der ganzen Fahrt bewies, so zufrieden,
dass er sich nicht begnügte, ihm das versprochene Geld zu geben, sondern ihm
beim Abschied auch noch eine ansehnliche Summe zum Zeichen seiner Zufriedenheit
schenkte.

Jussuf benutzte die wiedererlangte Freiheit, die Stadt
Dschidda, welche er noch nicht kannte, zu besehen. Als er seine Neugier
befriedigt hatte, trat er, von Hunger getrieben, in ein Kaffeehaus, wo er sich
ein ziemlich schlechtes Mahl auftischen ließ, welches er sehr teuer bezahlte.
An diesem Ort machte er aber Bekanntschaft mit mehreren Kaufleuten, welche ihn
für einen Fremden erkannten und sich nach den Beweggründen seiner Reise in
dieses Land erkundigten. Er antwortete ihnen, er wäre ein Kaufmann wie sie und
nach diesem Hafen durch das Verlangen geführt worden, einige Geschäfte zu
machen und zu gleicher Zeit seine Wallfahrt nach Mekka zu erfüllen, welche ihm
noch obläge. Die feinen Sitten des jungen ägypters und sein anständiges
äußeres nahmen die Kaufleute zu seinen Gunsten ein, und es entstand bald
zwischen ihnen ein vertrauter Umgang.