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721. Nacht

„Ihr habt nichts mehr von dem Geist Abutawil zu
fürchten. Diesen Morgen führte ich noch diesen Namen, aber der Hang des Bösen
ist weit von mir gewichen, und ich werde Euch meine Erkenntlichkeit für den mir
geleisteten Dienst durch alle Wohltaten beweisen, welche ich Euch zu gewähren
vermag, und durch eine aufrichtige Liebe zu Eurer liebenswürdigen
Schwester.“

Die Prinzessin zitterte vor Freuden, als sie vernahm, dass
der junge Mann, dessen Mut sie so bewundert hatte, ihr Bruder Murad wäre. Sie
fiel ihm um den Hals und umarmte ihn unter Tränen der Freude.

Der Geist fuhr fort: „Ich heiße Habib und bin einer
der dem König Salomon unterworfenen Geister. Dieser große Prophet würdigte
mich seines Vertrauens, und von allen, die in seiner Nähe waren, war ich
derjenige, den er am meisten mit seiner Gunst beehrte.

Eines Tages hatte einer von meinen Brüdern, den ich vor
allen liebte, sich Salomons Zorn zugezogen, der, um mich zu prüfen, mir die
Vollziehung der Strafe auftrug. Ich fand die Strafe für ein nur leichtes
Versehen zu hart und konnte es nicht über mein Herz bringen, meinen Bruder zu
schlagen. Ich wurde dem Propheten ungehorsam und versuchte ihn zu täuschen,
indem ich vorgab, seine Befehle vollzogen zu haben.

„Du lügst, Undankbarer!“, sprach er zu mir,
„und Du hast das Vertrauen Deines Herrn und Deines Freundes missbraucht.
Aber Du sollst dafür bestraft werden.“

Auf der Stelle sprach er einige Worte aus, und ich fühlte
in mir eine seltsame Veränderung.

„Geh,“ sagte Salomon zu mir, „ich schicke
Dich auf die Erde, um die Geißel aller zu sein, die sich Dir nahen: Du wirst
lieben und den Gegenstand Deiner Liebe quälen. Du wirst das Menschengeschlecht
lieb gewinnen, und wider Deinen Willen wirst du Dich gedrungen fühlen, ihm
Böses anzutun: Deine innern Vorwürfe werden Deine Strafe sein. Ich gebe Dir
diesen Vogel, an dessen Dasein Dein Schicksal geknüpft ist: Du wirst nur nach
seinem Tod wieder, was Du gewesen bist, und doch wirst Du Dein möglichstes tun,
um sein Leben zu verlängern.“ Nach diesen Worten verstieß er mich weit
von sich.

Seit dieser Zeit habe ich nur zu sehr mein Schicksal
erfüllt, und ihr könnt nicht glauben, wie sehr ich nach jeder Missetat litt,
sobald ich sie begangen hatte. Endlich vor einigen Jahren erschien der Geist,
welcher die Ursache der mir auferlegten Strafe gewesen war, mir im Traum und
sprach zu mir:

„Deine Strafe wird bald endigen. Es ist mir erlaubt,
zu ihrer Abkürzung zu helfen: Verkleide Dich und geh hin, um die Tochter des
Sultans von Cochinchina zur Gemahlin anzuhalten. Er wird sie Dir gewähren, denn
ich habe ihn auf solche Bewerbung vorbereitet, und diese schöne Prinzessin wird
Deine Erlösung bewirken.“

Ich konnte erst nach dem Tod des Sultans hinkommen.
Glücklicherweise hatte dieser, bevor er starb, dem Prinzen Chansad anbefohlen,
die Werbung, welche ich tun wollte, gut aufzunehmen, und so wurde meine Hochzeit
gefeiert. Ihr wisst nun meine Geschichte und die Ursache aller Mühseligkeiten,
welche ihr ausgestanden habt, aber ich hoffe, sie Euch zu vergüten.“

Es wäre unmöglich, die Freude Aischahs und ihrer Brüder
zu beschreiben. Sie dankten dem Geist Habib und versicherten, dass ihre Leiden
schon vergessen und sie für ihre Mühseligkeiten schon mehr als zuviel durch
das Glück belohnt wären, ihn zum Beschützer und Freund zu haben.

In demselben Augenblick ließ Habib durch mehrere ihm
untergebene Geister ein prächtiges Zelt aufschlagen, in dessen Mitte eine Tafel
mit den köstlichsten Speisen besetzt stand. Während der Mahlzeit erzählten
sie sich gegenseitig ihre Abenteuer. Als Murad ihnen bekannt machte, dass die
Königin Mutter aus dem Leben geschieden war, weinten sie bitterlich und warfen
sich vor, durch ihre Abwesenheit zur Beschleunigung ihres Todes beigetragen zu
haben.

Nachdem der erste Schmerz vorüber war, baten sie Habib um
Nachricht, was seit Murads Abreise in ihrem Königreich vorgegangen wäre.