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714. Nacht

Eines Tages, als Chansad bei der Hütte des Derwisches
sich erging, war er nicht wenig überrascht, nicht weit von sich und mitten in
der Sandwüste einen Baum zu erblicken, der mit sehr schönen, ihm unbekannten
Früchten beladen war. Mit lebhafter Begierde, ihn näher zu betrachten und von
seinen Früchten zu pflücken, schritt er mehrere Stunden lang darauf los, und
obgleich er gar nicht ferne von ihm schien, so konnte er ihn doch nicht
erreichen. Endlich, nachdem er den ganzen Tag gelaufen war, gelangte er an den
Fuß dieses außerordentlichen Baumes.

Ein Greis saß auf einem der Zweige, der grüßte den
Sultan freundlich, und nachdem er von dem Baum gestiegen war, welcher sogleich
verschwand, fragte er ihn, warum er ihn so hartnäckig verfolgt hätte, und was
der Beweggrund seiner Reise wäre.

Chansad, der befürchtete, einen großen Fehler begangen
zu haben, dass er den Rat des guten Derwisches nicht befolgt hatte, beschloss,
sich mit Vorsicht zu benehmen. Demzufolge antwortete er dem Geist, er wäre ein
Kamelhüter, der, angelockt durch die Schönheit der Früchte, und in der
Hoffnung, einige davon zu erlangen, auf einen Augenblick seine Herde verlassen
hätte; da jedoch seine Mühe fruchtlos gewesen, so würde er wieder zu den
seiner Obhut anvertrauten Tieren gehen.

„Mein Sohn,“ sagte lächelnd der Geist zu ihm,
„Du wirst heute nicht wieder nach dem Ort zurückkehren, von welchem Du
diesen Morgen ausgegangen bist. Dieses Land ist durch den Geist Abutawil
bezaubert, welcher unaufhörlich den Reisenden Schlingen legt. Der Derwisch,
welchen Du heute verlassen hast, ist einer von den Dienern dieses bösen
Geistes. Er nahm Dich nur in Obhut, um Dich seinem Herrn zu überliefern. Aber
Du bist ein guter Muselmann, und der Prophet hat Dich vermittelst dieses Baumes
gerettet. Sei jetzt ruhig und stärke Dich wieder durch einige Früchte, welche
ich Dir will reichen lassen.“

Der Greis klatschte hierauf drei Mal in die Hände, und
auf der Stelle stand ein mit den erlesensten und köstlichsten Speisen besetzter
Tisch vor ihnen. Der Sultan war ungewiss, ob er den Versprechungen seines neuen
Wirtes großen Glauben beimessen sollte; weil er aber kein Mittel sah, zu dem
Derwisch zurückzukehren, dem er das Leben verdankte, so überließ er sich
seinem Schicksal.

Als er sich wieder gestärkt hatte, fragte der Greis ihn,
ob er ihm folgen wollte, und versprach, ihn in wenigen Tagen nach der Hauptstadt
seines Reiches zu bringen. Chansad willigte ein, und beide schlugen einen
schmalen, mit brennendem Sand bedeckten Weg ein. Kaum hatte der Fürst einen
Schritt getan, als es ihm unmöglich war, weiter zu schreiten. Der Greis lud ihn
jetzt ein, auf seinen Rücken zu steigen. „Die Stärkung des großen
Propheten verlässt mich nie,“ sprach er zu ihm, „meine Füße sind
gewohnt, durch den Sand zu waten, und in einem Augenblick kann ich Dich ans Ziel
des Weges versetzen.“

Der Sultan scheute sich anfangs, einen Greis zu
belästigen, dessen Schwachheit ihm so auffallend erschien, doch entschloss er
sich endlich, auf seinen Rücken zu steigen. Sogleich erhob sich der Greis mit
ihm in die Luft, erreichte bald einen prächtigen Palast, setzte hier den
Prinzen auf den Boden und verschwand.

Chansad, noch voll Furcht über die Art, wie er eben
gereist war, wurde nicht wenig überrascht, als er vor sich einen unermesslichen
Palast aus einem einzigen Diamanten erblickte, welcher einen solchen Glanz
ausstrahlte, dass er genötigt wurde, die Augen niederzuschlagen.

In der Hoffnung, in diesem Palast einige Hilfe zu finden,
ging der Fürst mehrmals ringsumher. Aber es war vergeblich, er konnte die Türe
dieses Gebäudes nicht entdecken. Endlich, erschöpft von der Anstrengung,
lehnte er seinen Kopf an eine Mauer und schlief ein.