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708. Nacht

„Beruhigt Euch gute Mutter,“ sagte Harun,
„ich verspreche Euch, dass der Polizeibeamte meinen Befehlen gehorchen
wird.“

„Ah, wenn Ihr das Geheimnis besitzt, einen solchen
Mann zum Gehorsam zu bringen,“ erwiderte ihm seine Schwiegermutter,
„so werdet Ihr mir einen Dienst leisten, wenn Ihr es mir mitteilt: Ich kann
alsdann meinen Einfluss bei ihm benutzen, um auch ungestraft die Frauen zu
bestehlen.“

Mit diesen Worten näherte sie sich der Türe, nahm sich
aber vor, sie nur ein wenig zu öffnen.

„He! Was wollt Ihr denn?“, rief sie mit lauter
Stimme heraus.

„Alte Hexe,“ antwortete Schamama, „kannst
Du noch fragen? Wir wollen den Räuber packen, der bei Dir ist, ihm einen Fuß
und eine Hand abhauen. Was Dich betrifft, so wirst Du bald sehen, welche
Behandlung wir Dir zugedacht haben.“

„Ist einer unter Euch, der lesen kann?“, fragte
die Alte. „Ich habe hier einen Siegelring, den ich Euch übergeben soll:
Lest doch den Namen, der darauf geschrieben steht, und wem er angehört.“

„Hol‘ der Teufel seinen Herrn!“, sagte Schamama.
Hierauf riet er dem Polizeileutnant, den Augenblick zu benutzen, da die Alte die
Türe etwas geöffnet hatte, sie zu Boden zu werfen, in das Haus zu dringen, es
zu plündern und, wenn alles vollbracht wäre, sich zu entschuldigen, man hätte
den Siegelring nicht gesehen.

Aber die Alte, die ihre Absicht fürchtete, hütete sich
wohl, die Türe weiter aufzumachen, als nötig war, um den Siegelring
hindurch zu stecken, und reichte ihn dem Schamama, welcher ihn dem Polizeileutnant
gab.

Als dieser den Siegelring des Kalifen erkannte, wurde er
von Furcht ergriffen.

„Nun, was ist’s?“, fragte Schamama, „was
habt Ihr denn?“

Der Polizeileutnant reichte ihm anstatt aller Antwort den
Ring hin. Schamama näherte sich damit einer Fackel, erkannte das geheiligte
Siegel des Beherrschers der Gläubigen und sank zu Boden und rief um Hilfe.

Aber bald raffte er sich wieder zusammen, und mit dem
Ausdruck der tiefsten Ehrfurcht fragte er die Alte, was sie verlangte.

„Der Herr des Siegelrings,“ sprach sie nun,
„verlangt den Polizeileutnant, vier Anführer aus Eurer Schar und alles
Nötige zu einer Bastonade.“

Schamama versicherte sie, alle wären bereit zu gehorchen,
und die Alte ging wieder zu ihrem Schwiegersohn, um ihm den glücklichen Erfolg
seiner Sendung zu berichten.

„Ihr seid ein seltsamer Räuberhauptmann,“
sprach sie zu ihm; „der Kadi, der Polizeileutnant, die Häscher, alle Welt
hat Furcht vor Euch. Wahrhaftig, ich will unter Euch Dienste nehmen und will die
Frauen bestehlen, während Ihr die Männer bestehlt. Es kann mir gar nicht
fehlen, nach dem Sprichwort: Wie der Herr, so der Knecht. – Gesteht indessen,
wenn diese Leute in Eurer Abwesenheit die Türe eingestoßen hätten, so würden
wir uns in einer schrecklichen Lage befunden haben. Aber, Gott sei Dank, jetzt
sind wir endlich daraus befreit.“

Während nun der Kalif sich mit seiner Gemahlin über ihre
Befreiung erfreute, trat der Polizeileutnant mit den vier Anführern seiner
Schar herein, unter welchen letzteren sich auch Schamama und Hassan befanden.
Der Kalif befahl diesem, den Emir Junis, den Befehlshaber der Leibwache, zu
holen, und als dieser gekommen war, befahl er ihm, dem Polizeileutnant und
Schamama die Bastonade zu geben. Junis entledigte sich nun des Auftrages so
nachdrücklich, dass durch die Gewalt seiner Schläge ihnen die Nägel von den
Füßen fielen. Zu gleicher Zeit erhob Harun den Hassen zu der Würde des
Polizeileutnants.