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703. Nacht

„Eben heute.“ –

„Und wer ist Euer Schwiegersohn?“ –

„Ich weiß es in Wahrheit nicht, und wenn ich Euch meinen Verdacht
gestehen soll, so glaube ich, es ist nicht das ehrlichste Handwerk, welches er
treibt: Aber bildet Euch nicht ein, dass er ein gewöhnlicher Räuber ist, er
ist wenigstens das Oberhaupt aller Räuber.“

„Um Gottes willen!“, riefen die Nachbarinnen aus, „Ihr wollt
die Schwiegermutter eines Räuberhaupts werden! Seid so gut und empfehlt uns
Eurem Schwiegersohn und bittet ihn, die Häuser Eurer Nachbarn zu verschonen.
Diese Rücksicht sind wir uns gegenseitig schuldig.“

Die Alte beruhigte sie, indem sie den Edelmut ihres Schwiegersohnes rühmte
und ihnen versprach, dass ihr Eigentum verschont bleiben sollte.

Sicher gemacht durch den Schutz, welchen die Alte ihnen verhieß,
beschäftigten sich die Nachbarinnen nun mit der Anordnung des Hausgerätes,
dann des Putzes der Braut, welche man mit prächtigen Zeugen bekleidete und mit
Juwelen bedeckte.

Bald hörte man an die Türe pochen und sah eine große Anzahl Bedienten des
Kalifen eintreten: Einige trugen die erlesensten Speisen, andere das
köstlichste Zuckerwerk: Sie überlieferten alles der Alten und sagten dabei,
ihr Schwiegersohn sendete es ihr, um sich mit allen ihren Nachbarinnen gütlich
zu tun.

„Meine lieben Freunde,“ sprach die Alte noch zu ihnen, „habt
doch die Güte und sagt mir, was macht mein Schwiegersohn?“

„Wir wissen nichts von ihm, edle Frau, aber wenn Euch daran liegt,
seinen Namen zu wissen, er heißt Albondukani.“

„Meinetwegen,“ sagte die Alte, „er mag tun, was er will; aber
einer, der sich so großmütig beweist, hat nicht seinesgleichen in Bagdad:
Kommt, meine Freundinnen, setzen wir uns zum Mahl.“

Die Nachbarinnen machten keine Umstände, sondern aßen mit großer Lust nach
und nach von den Speisen und dem Nachtisch, die man hergeschickt hatte, doch
waren sie darauf bedacht, von allem das Beste unberührt zu lassen, damit es zum
Hochzeitsmahl der beiden Neuvermählten diente.

Unterdessen wusste man bald in dem ganzen Stadtviertel, dass die Alte ihre
Tochter an einen Räuber verheiratet hatte, und dass ihr Haus schon mit den
prächtigen Geschenken angefüllt war, welche ihr Schwiegersohn ihr dargebracht
hatte.

Als der junge Kaumann, dem diejenige versagt worden war, welche der Kalif
sich zur Gattin erwählt hatte, durch das öffentliche Gerücht vernommen, dass
man ihm einen Räuber vorgezogen hatte, so wollte er diese Gelegenheit nicht
versäumen, sich zu rächen; er hoffte selbst, dass dieser Umstand ihm Mittel
verschaffen könnte, diejenige wiederzuerlangen, in welche er verliebt war, und
begab sich in aller Eile zu dem Polizeibeamten. Diesem versprach er eine
ansehnliche Belohnung, wenn er sich des Räubers, welchen er ihm beschrieb,
bemächtigen könnte, und versicherte ihn zugleich, dass er bei dieser
Unternehmung eine beträchtliche Beute machen würde, deren Eigentum er ihm
überließ.

Der Polizeibeamte war höchst vergnügt über diese Anzeige des jungen Mannes
und hieß die zehnte Stunde des Abends abwarten, um den Räuber desto sicherer
in dem Haus seiner Schwiegermutter zu überfallen. Er versprach ihm, sich
bestimmt zu dieser Stunde dort einzufinden, und versicherte ihn, er würde den
Räuber sowie die Alte auf abschreckende Weise bestrafen und ihm das junge
Mädchen überliefern, mit welcher er nach seinem Belieben schalten könnte.