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700. Nacht

Der Kalif war neugierig, diese Frau zu sehen; er trat also
weiter in den Basar und hörte sie alle Kapitel des heiligen Buches hersagen.
Hierauf näherte er sich ihr und wollte ihr eben einen Beweis seiner
Freigebigkeit geben, als er sie einem Kaufmann ins Ohr sagen hörte, ob sie ihm
ein junges Mädchen verschaffen sollte. Der Kaufmann nahm dieses Erbieten an,
und der Kalif, der über das Gewerbe dieser Alten Gewissheit haben wollte,
beschloss, ihnen beiden zu folgen.

Unterwegs überließ sich Harun den seltsamsten
Betrachtungen, welches dieses Abenteuer in ihm erzeugte. Er sah die beiden in
ein Haus treten und war so geschickt, zugleich mit ihnen hineinzuschlüpfen,
ohne bemerkt zu werden. Hier sah er nun die Alte ihre Tochter aus einem nahen
Gemach hervorführen, und sein Erstaunen stieg aufs höchste, als er eine der
schönsten Frauen von Bagdad erblickte: Ihre Gestalt war voll Anmut und Hoheit,
und ihre schönen schwarzen Augen mit schmachtendem Blick vollendeten die
bezauberndste Erscheinung.

Kaum hatte das junge Mädchen einen Fremden erblickt, als
sie schleunig zurücktrat und ihrer Mutter Vorwürfe machte, sie also den
Blicken eines Mannes ausgesetzt zu haben. Die Alte erwiderte ihrer Tochter, sie
stellte ihr ihren künftigen Gemahl vor, welchen sie ja doch einmal vor der
Hochzeit sehen müsste.

Es war nun bald die Rede von der Morgengabe. Die Alte
forderte viertausend Goldstücke. Der Kaufmann antwortete, eine solche Summe
überstiege sein Vermögen, und bot nur die Hälfte, von welcher er einen Teil
zum Hausgerät und zu den Brautkleidern anwenden wollte. Dieser Vorschlag gefiel
der Alten nicht, und sie beteuerte, sie würde nichts von ihrer Forderung
nachlassen. Der Kaufmann sah sich also zu seinem großen Leidwesen genötigt,
sich zurückzuziehen.

Als er hinweg war, beschloss der Kalif, sich an dessen
Stelle anzubieten; er schlüpfte also geschickt hinaus, sodann trat er wieder in
das Haus, ließ sich sehen und stellte sich vor die Alte hin.

„Ich begegne soeben,“ sprach er zu ihr,
„einem jungen Mann, der von Euch heraus kommt. Er hat mir gesagt, er könne
Eure Tochter nicht heiraten, drum biete ich Euch den Brautschatz, welchen Ihr
fordert.“

„Nichtswürdiger Räuber,“ antwortete ihm die
Alte, indem sie ihn aufmerksam betrachtete, „wo wolltest Du das Geld
hernehmen, welches Du mir anträgst? Die Kleider, welche Dich bedecken,
verkündigen genugsam Deinen Stand.“

„Ihr täuscht Euch, meine Gute,“ erwiderte ihr
der Kalif, „ich bin bereit, Euch bar Geld aufzuzählen.“

„Wohlan, lass sehen,“ sagte hierauf die Alte,
„gib viertausend Goldstücke her, und meine Tochter ist Dein.“

„Nun gut,“ sprach der Kalif, indem er sich
setzte, „der Handel ist geschlossen: Geht hin zu dem Kadi und sagt ihm,
Albondukani lasse ihn rufen.“

„Elender,“ erwiderte ihm die Alte, „bildest
Du Dir ein, dass der Kadi sich Deinetwegen wird stören lassen?“

„Lasst Euch das nicht irremachen, gute Mutter,“
versetzte der Kalif. „Seid nur darauf bedacht, ihm anzuempfehlen, dass er
Schreibröhre und weißes Papier mitbringe.“

Die Alte ging hin, indem sie bei sich selber sagte:
„Wenn der Kadi auf diese Einladung kommt, so muss mein Schwiegersohn ein
Räuber von Bedeutung und wenigstens das Oberhaupt einer Bande sein.“