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689. Nacht

„Wohlan,“ erwiderte der Gefangene, „so
begehre ich denselben Dienst von Dir: Hilf uns aus diesem höllischen Loch und
räche mich an dem Elenden, welcher uns verfolgt.“

In einem Augenblick hatte der Geist den Oberpriester ins
Gefängnis geführt und mit den Ketten belastet, von welchen er die beiden
Freunde befreit hatte; er fasste sie hierauf in seine Arme, die Erde öffnete
sich unter ihren Füßen, und sie befanden sich plötzlich in einem prächtigen
Palast, dessen Glanz nicht seinesgleichen hatte: Denn er war von Edelsteinen
erbaut, ruhte auf Säulen von Smaragd und war von weiten Gärten umgeben, welche
denen des Paradieses von Schedad glichen.

Geblendet von diesem Anblick, fragte der Sohn Ali
Dschoharis den Geist, wem diese prächtigen Besitzungen gehörten.

„Dieser Palast,“ antwortete der Geist, „ist
einer der Paläste Salomons; an diesem Ort wohnt meine Herrin, und wie sehr man
auch die Schönheiten von Damaskus rühmt, ihr werdet sehen, dass diejenige,
welche ich Euch zeigen werde, sie alle übertrifft.“

Diese Worte erregten lebhaft die Neugierde des Sohnes Ali
Dschoharis. Man führte sie beide in einen prächtigen Badesaal, wo
vierundzwanzig weiße Sklaven und Sklavinnen sie mit aller Aufmerksamkeit
bedienten. Von hier traten sie in einen Saal, wo ein glänzendes Mahl bereit
stand; vier Springbrunnen, mit duftenden Blumen umgeben, verbreiteten darin eine
köstliche Kühlung.

Aber alle diese Pracht konnte den Sohn Alis nicht von der
tiefen Unruhe befreien, welche ihn um seine Gattin erfüllte: Vergebens ließ
man vor ihm eine Menge junger Sklavinnen erscheinen, deren Schönheit die der
Huris übertraf; er blieb allen ihren Reizen unbeweglich.

Der Geist fragte ihn um die Ursache seiner Betrübnis.
„Ach,“ antwortete er ihm, „ich habe meine Familie in tiefsten
Schmerz versunken daheim gelassen: Meine geliebte Gattin ist dem Tode nahe und
stirbt unfehlbar, wenn es mir nicht gelingt, das Vogelkraut zu gewinnen, und ich
weiß nicht, wie ich dazu gelangen soll.“

„Hüte Dich wohl, mein Sohn,“ erwiderte ihm der
Geist, „eine so gefährliche Unternehmung zu versuchen: Das Kraut, welches
Du holen sollst, ist in der Gewalt der gegen Salomon empörten Geister, welche
sich desselben bemächtigt haben, und Dein Tod wäre unvermeidlich.“

Was aber der Geist auch sagen mochte, es gelang ihm nicht,
den Entschluss des jungen Mannes zu ändern, und als er ihn so unerschütterlich
sah, so gab er ihm alle Anweisungen, welche, wie er glaubte, ihm nützlich sein
konnten, und ließ ihn abreisen.

Der junge Reisende stieg zu Pferde und folgte einem
Knäuel, welches sein Wirt ihm gegeben hatte, und welches, stets vor ihm
dahinrollend, ihn zu dem Ort seiner Bestimmung bringen sollte.

Er kam endlich an einen großen Wald, und das Knäuel
stand am Eingang einer tiefen Höhle still, deren Finsternis abschreckend war.
Der Sohn Ali Dschoharis stieg von seinem Pferd, und nachdem er es an einen Baum
gebunden hatte, drang er in das Innere der Höhle; er gelangte endlich an ein
großes Feuer, welchem ein altes Weib gegenübersaß, deren Finger die Gestalt
einer Gabel hatten, und deren Nägel so groß waren wie die Austerschalen des
Roten Meeres: Sie drehte einen ungeheueren Bratspieß, an welchem drei Männer
steckten.