Project Description

686. Nacht

Ali begab sich mit seiner Familie nach Damaskus und ließ
in dieser Stadt einen prächtigen Palast erbauen, umgeben mit herrlichen Gärten
und am Ufer eines Flusses gelegen. Zu gleicher Zeit ließ er Karawansereien,
Moscheen und Hospitäler für die durch Ausschweifungen Erkrankten erbauen, denn
so heilsam ist die Luft von Damaskus, dass die jungen Leute hier ohne
Arzneimittel genesen, während die Greise hier ihre Gesundheit erhalten.

Nachdem der Oberaufseher des Kalifen seine Bauten
vollendet hatte, war er darauf bedacht, für seinen Sohn, welchen er nun für
alt genug hielt, sich zu verheiraten, eine Gattin auszuwählen, und vermählte
ihn mit seiner Nichte, einer jungen Waise, welche er von Kindheit her aufgezogen
hatte.

Die beiden jungen Leute liebten einander so vollkommen,
dass man von ihnen sagen konnte: „Es ist nur eine Seele in zwei
verschiedenen Leibern.“ Aber ein bejammernswürdiger Zufall versetzte
dieses Haus bald in Betrübnis: Die junge Frau wurde krank, und vergeblich
berief man von allen Seiten die geschicktesten Männer der Heilkunde; sie schien
vielmehr unter den verschiedenen angewandten Mitteln zu erliegen.

Es lebte damals zu Kufa ein sehr gelehrter Emir, welcher
sich die Lehren des weisen Lokman angeeignet hatte und die ganze Beredsamkeit
des Hariri besaß. Er hatte die Schönheiten von Damaskus so sehr rühmen
gehört, dass er beschloss, diese Stadt zu besuchen. Als er sich ihr nahte,
wurde er bezaubert von dem reizenden Anblick der Gärten und der zahllosen
Bäche, welche darin eine ewige Kühlung unterhielten. Seine Ohren umtönte ein
Konzert von Vögeln, welche dem Ewigen zu danken schienen, dass er einen so
anmutigen Aufenthalt für sie geschaffen hatte. Entzückt von diesem Schauspiel
rief er aus:

„Muhammed hatte wohl recht, seinen Jüngern die
Eroberung dieser Stadt zu empfehlen; denn die vier Flüsse, welche sie
bewässern, sind das geringste ihrer ähnlichkeit mit dem Paradies.“

Der Emir bezog in Damaskus einen Palast, welcher auf
Befehl des Kalifen für ihn in Bereitschaft gesetzt war. Da sein Ruf ihm in
dieser Stadt vorangegangen war, so wurde Ali Schohari auch bald von seiner
Ankunft unterrichtet. Sogleich ließ er zwei Maultiere satteln, füllte einen
Korb mit prächtigen Stoffen und köstlichen Kleinoden und begab sich mit seinem
Sohn nach dem Palast des Fürsten.

Der Emir von Kufa war schon von den Großen der Stadt
umgeben, welche ihm ihre Huldigung darzubringen kamen. Er empfing sie sehr
freundlich, lud sie zum Kaffee ein und bezeigte dem Sohn Ali Schoharis die
lebhafteste Teilnahme; und als er die auf seinem Gesicht verbreitete Traurigkeit
wahrnahm, fragte er ihn nach der Ursache seines Kummers. Ali Dschohari erzählte
ihm die Krankheit seiner Nichte, und der Emir war so gerührt von seinem
Unglück, dass er ohne Aufschub in Begleitung aller Gegenwärtigen sich nach dem
Bett der Kranken begab.

Er befühlte ihr den Puls und erkannte bald, dass hier
keine Hoffnung mehr war; aber ohne seine Befürchtung zu äußern, begnügte er
sich, einen tiefen Seufzer auszustoßen. Der junge Mann, der diesen nur zu wohl
verstand, sank auf der Stelle in Ohnmacht. Sein Vater fragte den Emir dringend,
was er von dem Zustand seiner Nichte dächte.

„Leider,“ antwortete dieser ihm, „ist ihre
Krankheit unheilbar; beruhigt jedoch Euren Sohn, weil nichts ohne den Willen
Gottes geschehen kann. Es gäbe zwar noch ein Mittel, seine Gattin zu retten,
aber die Anwendung desselben scheint mir sehr schwierig.“