Project Description

685. Nacht

Man kann sich denken, wie groß die Freude des Prinzen
war, als er sich wieder bei derjenigen befand, für welche er so große Gefahren
bestanden hatte. In den Armen seiner Geleibten vergaß er bald alle
Mühseligkeiten, denen er sich ausgesetzt hatte. Aber mitten in der Freude,
welche er empfand, stieg ein Gedanke in ihm auf, der sein Glück trübte: Er
gedachte an den Schmerz, dem seine Eltern seit seiner Abreise hingegeben sein
mussten. Endlich entschloss er sich, der Prinzessin seinen Kummer mitzuteilen,
und diese, um seien Betrübnis zu verbannen, versprach ihm, er sollte seine
Eltern denselben Tag noch wieder sehen.

Sie ließ sogleich die vornehmsten der Geister versammeln
und eröffnete ihnen, dass sie, durch wichtige Angelegenheiten genötigt, ihr
Reich zu verlassen, die Verwaltung desselben ihrem Großwesir anvertraut hätte;
und nachdem sie sich ihrer Treue versichert hatte, befahl sie ihren dienstbaren
Geistern, sie mit dem Prinzen nach dem Garten zu versetzen, in welchem sie sich
zum ersten Mal gesehen hatten: Und dies war in einem Augenblick vollbracht.

Salama und seine Gattin warne ganz in Schmerz über den
Verlust ihres Sohnes versunken, als sie zu ihrer größten überraschung ihn
plötzlich wieder vor ihnen erscheinen sahen. Anfangs glaubten sie, es wäre
eine Täuschung ihrer Sinne; aber die Beteuerungen des Prinzen und seine
zärtlichen Umarmungen ließen sie nicht länger zweifeln, dass sie ihren
vielgeliebten Sohn wieder gefunden hätten.

Nachdem die erste stürmische Freude vorüber war,
beschäftigte man sich damit, Habibs unerwartete Ankunft überall verkündigen
zu lassen. Er empfing die Glückwünsche aller Häupter der Stämme. Man
beschenkte die Armen reichlich, und Freudenfeste wurden sieben Tage hindurch
gefeiert, nach deren Verlauf man neunzehn von den Rittern, welche Habib in der
Wüste verlassen hatten, aufhängen ließ.

Bald darauf bezahlte Salama der Natur seine Schuld. Habib
nahm seine Stelle ein und vereinigte unter demselben Szepter die zahlreichen
Stämme seines Vaters und das Reich der Inseln Bellur. Dieser große Fürst
verlebte mit der schönen Dorrat-al-Ghawas lange und glückliche Jahre; und als
er starb, hinterließ er ein blühendes Reich, welches darauf unter die
zahlreichen Kinder, die er mit dieser Prinzessin hatte, geteilt wurde.“

Noch war der Tag nicht sichtbar, und Scheherasade benutzte
die noch übrige Zeit, um dem Sultan von Indien die Geschichte von Ali Dschohari
zu erzählen.

Geschichte des Ali Dschohari

„Herr, Ali Dschohari hatte von seinen Voreltern das
Amt eines Oberaufsehers bei den Kalifen von Bagdad überkommen, und er verwandte
einen großen Teil der unermesslichen Reichtümer, welche dieses Amt ihm
verschaffte, zu Wohltaten, welche ihm die Achtung aller Bewohner der Hauptstadt
und des Kalifen selber erwarben.

Da Ali Dschohari bei herannahendem Alter nur einen Sohn
hatte, auf dessen Erziehung er alle seine Sorgfalt verwandte, so benutzte er das
Wohlwollen seines Herren und bat ihn um die Erlaubnis, seinen Dienst zu
verlassen. Der Kalif nahm keinen Anstand, ihm diese Gnade zu bewilligen, und
vermehrte zugleich durch neue Geschenke die unermesslichen Reichtümer seines
Oberaufsehers.