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675. Nacht

Als Habib sich von seinem Lehrer getrennt sah, zu welchem
er eine lebhafte Zuneigung trug, ließ er den Palast seines Vaters von seinen
Klagen widerhallen. „Wehe!“, rief er aus, „wie kann ich von dem
getrennt leben, dem ich alles verdanke? Nacht und Tag stellt sein Bild sich vor
meine Seele, mein Herz wird von Leid verzehrt, und mein Leben wird dem übermaß
meines Schmerzes nicht widerstehen können!“

Von diesem anziehenden Schauspiel war die Versammlung
lebhaft gerührt, als man eine Stimme folgende Worte aussprechen hörte:

„Der junge Habib muss seinen Schmerz zu besiegen
wissen und sich damit beschäftigen, die weite Laufbahn, welche ihm offen steht,
zu erfüllen. Er bemühe sich, seinen Leib für die Arbeiten, Anstrengungen und
Gefahren zu stählen, welche er bestehen soll, so wie er sich bisher bemüht
hat, seinen Geist zu bilden.“

Diese Worte ermutigten den jungen Prinzen wieder.
„Wohlan,“ rief er aus, „da der Geist, welcher mich bisher so
trefflich beim Erlernen der Wissenschaften geleitet hat, mich nunmehr
auffordert, mich mit der Kunst der Waffen zu beschäftigen, so will ich seinem
Rat folgen, und bald soll die Erde von dem Ruf meiner zahlreichen Taten erfüllt
werden.“

Der alte Salama war auf dem Gipfel der Freude, als er in
seinem Sohn diesen kriegerischen Geist wahrnahm. Er umarmte ihn herzlich und
sprach zu ihm:

„Wohlauf, mein Sohn, an dem Feuer, welches ich in
Deinen Augen blitzen sehe, erkenne ich wohl, dass Du einer der
ausgezeichnetesten Helden meiner tapferen Stämme sein wirst. Nachdem die Gunst
des Himmels Dir schon einen so köstlichen Lehrer geschenkt hat, wie der soeben
von hinnen geschiedene ist, so lass uns nicht verzweifeln, dass er uns auch in
der Wahl des Mannes leiten werde, der Dich in dem Waffenhandwerke unterrichten
soll.“

Jedes der gegenwärtigen Häupter bewarb sich um die Ehre,
dem jungen Habib zum Lehrmeister zu dienen, als ein Fremder in der Versammlung
erschien: Sein Ross übertraf alles, was Arabien an erlesenen und zierlichen
Rennern aufzuweisen hatte. Seine Rüstung schien von dem Propheten David
geschmiedet zu sein, und seine Keule aus einem sehr harten Stein war von solcher
Schwere, dass vierzig der stärksten Männer sie nicht hätten tragen können.
Ein in Indien geschmiedeter Säbel hing an seiner Seite, und seine Lanze war ein
Werk des berühmten Schmiedes Samher. Er sprang von seinem Ross; und nachdem er
den Emir und seinen ganzen Hof begrüßt hatte, redete er ihn mit folgenden
Worten an:

„Ich komme, Herr, Euch für den Prinzen, Euren Sohn,
den Dienst einer langen Erfahrung anzubieten, welche ich mir in den Waffen
erworben habe: Wenn Ihr meine Geschicklichkeit und Stärke prüfen wollt, um
Euch zu versichern, ob ich der ehrenvollen Stelle würdig bin, um welche ich
anhalte, so biete ich Euch den Zweikampf an.“

Diese Worte erweckten das ganze Feuer des alten Emirs; und
trotz den Vorstellungen aller, die ihm bemerkbar machten, wie unvorsichtig es
wäre, mit einem ganz unbekannten Fremdlinge, der ein Verräter sein könnte, in
die Schranken zu treten, nahm er das ihm getane Erbieten an und befahl auf der
Stelle, ihm seine Waffen zu bringen. Sogleich zog er seinen Ringpanzer an,
welcher den schärfsten Säbelhieb aushielt, ergriff sein Schwert, welches
Felsen zu spalten vermochte, und seine ungeheure Lanze.

Als er zu Pferde saß, bildeten die Zuschauer einen Kreis,
um Zeugen des Zweikampfes zu sein, der nun begann. Die beiden Streiter ritten
erst auseinander, um Feld zu gewinnen, dann stürzten sie mit solcher Gewalt
aufeinander los, dass ihre Lanzen in Stücke brachen: Sie greifen hierauf zu
ihren Schwertern, und mitten in einer Staubwolke geben sie sich tausend Hiebe.

Salama erkannte nunmehr die ganze Geschicklichkeit seines
Gegners, und zufrieden mit dieser Probe, endigte er den Streit.