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657. Nacht

„Gott verhüte,“ sagte ich zu unserem Wirt,
„dass ich euer großmütiges Anerbieten durch eine abschlägige Antwort
zurückweisen sollte.“

Hierauf verneigte er sich tief und bat uns, ihm zu folgen.

Indem wir durch den Flecken ritten, fragte ich unsern
Führer, in welchem Land wir uns befänden.

„Ihr seid,“ sagte er zu mir, „an den
Grenzen des Königreiches Balch.“

„Ist der König Kara-Oglu noch immer auf dem
Thron?“, fragte meine Gefährtin.

„Dem Himmel sei Dank,“ erwiderte der Greis,
„haben wir noch unseren Vater; aber wir fürchten, ihn nicht mehr lange zu
behalten: Der Verlust seiner geliebten Tochter, die ein nichtswürdiger
schwarzer Sklave entführt hat, wird ihm wohl bald das Leben kosten.“

Inzwischen traten wir in sein Haus, welches uns angenehm
und bequem schien. Es waren zahlreiche Herden dabei, denn der Greis war einer
der reichsten Landwirte. Er führte uns in ein bequemes Zimmer, seine Sklaven
kamen, um uns aufzuwarten, und er selbst bediente uns. Er zündete Feuer an, man
brachte Wasser herbei, und er wusch uns die Füße. Hierauf bot er uns Wäsche
und Kleider an, indem er uns sagte, dass wir zu ermüdet wären, um unsere
Felleisen zu öffnen; aber da ich befürchtete, dass er unser Geschlecht
entdecken möchte, dankte ich ihm unter dem Vorwand, dass wir erst am Abend
zuvor Wäsche gewechselt hätten. Man reichte uns Erfrischungen, deren wir
ebenso sehr als der Ruhe bedurften. Der Herr hieß seine Sklaven sich entfernen
und bat um die Erlaubnis, nachzusehen, ob man das Abendessen bereitete. Er hatte
einen schönen fetten Hammel zurichten lassen, um unsere Ankunft zu feiern.
Während seiner Abwesenheit empfahl ich meiner Gefährtin, sich weder durch
Reden noch durch Handlungen zu verraten; denn es war mir wichtig, dass man weder
ihr Geschlecht noch ihren Rang erriet. Wir kamen überein, dass sie den Namen
Aladdin annehmen sollte. Ich sagte ihr, dass ich mich Mahmud nenne. Sie
versprach mir, sich wohl in acht zu nehmen. Aber urteilt, Herr, wie groß mein
Zwang und meine Unruhe war: Ich musste mich gleich sorgfältig vor meiner
Gefährtin und meinem Wirt verbergen, denn keines von beiden wusste mein
Geheimnis.

Wir besprachen uns miteinander über die Mittel, uns
unbekannt an den Hof des Königs von Balch zu begeben, als Sklaven erschienen
und vor unseren Füßen einen großen Teppich ausbreiteten, auf welchem sie
sodann eine große Schüssel Pillau, einen halben gebratenen Hammel und im Ofen
mit Zwiebeln gekochte Hühner setzten. Wir ersparten unserem Wirt die Mühe der
Nötigung, und seine hauptsächliche Beschäftigung war, uns zu bedienen. Meine
Gefährtin konnte sich nicht sättigen. Sie rief mehrmals aus: „Nie hab‘
ich so guten Pillau gegessen und mit solchem Wohlgeschmack, selbst nicht in der
…“ und plötzlich biss sie sich in die Lippen. Der Greis sah sie an, ohne
ein Wort zu sagen. Am Ende der Mahlzeit trug man uns zum Getränk Sorbet und
Wein auf, und ich konnte, obgleich Muselmännin, diesem Rebensaft nicht
wieder stehen.

Die Nacht rückte vor, und wir baten um die Erlaubnis, uns
entfernen zu dürfen. Alsbald geleiteten uns vier Sklaven in ein geweißtes
Gemach. Man hatte auf dem Fußboden zwei Betten nebeneinander ausgebreitet. Es
war eine Matratze auf einem Teppich mit einer kleinen Decke aus Kamelhaar. Meine
Gefährtin wagte es nicht, sich niederzulegen; und erst nachdem ich sie
tausendmal gebeten hatte, ruhig zu sein, und ihr zugeschworen, sie wie eine
Schwester zu achten, brachte ich sie dahin, sich zu Bett zu legen; aber
auskleiden wollte sie sich nicht. Obgleich es kalt war, schliefen wir doch sehr
gut, weil das an das unsrige anstoßende Gemach mit Tieren angefüllt war, deren
Atem uns in der Nacht erwärmte.

Am andern Morgen kam unser Wirt selbst, um sich nach
unserem Befinden zu erkundigen. Er brachte ein Handtuch und Wasser mit, damit
wir uns das Gesicht waschen könnten. Wir tranken eine Tasse Kaffee, und man
führte uns zum Frühstück in den Saal, in welchem wir den Abend vorher
gegessen hatten.