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656. Nacht

Unser Schlaf war lang und ruhig. Ich erwachte zuerst, und
nachdem ich allen meinen Mundvorrat zusammengerafft hatte, rief ich meine
Gefährtin und fragte sie, ob sie den Weg kenne, und nach welcher Seite sie ihre
Schritte richten wollte.

„Wohin es Euch beliebt,“ antwortete sie mir,
„denn ich werde Euch nicht verlassen.“

Dieser Entschluss stimmte nicht ganz zu meinem Vorhaben.
Ich wollte mich nicht zu erkennen geben, und es war sehr zu befürchten, dass
meine Gefährtin früher oder später mein Geschlecht entdecken möchte. Ich
nahm mir also vor, alle möglichen Vorsichtsmaßregeln zu gebrauchen.

Nachdem wir uns mit einem guten Frühstück gestärkt
hatten, zog meine Gefährtin die Kleider des Sklaven an und versuchte es, sein
Pferd zu besteigen. Sie konnte sich aber nicht darauf halten, weil sie niemals
reiten gelernt hatte. Ich nahm sie also auf mein Pferd hinter mich: Ihre Arme
waren um meinen Gürtel geschlungen, und ich verbot ihr, sie höher zu heben
unter dem Vorwand, dass ich sonst vom Pferd fallen würde; aber Ihr merkt wohl,
glorreicher Sultan, dass ich andere Gründe hätte.

Da wir die Wege nicht kannten, mussten wir uns unserem
Pferd überlassen, und am Ende einiger sehr beschwerlicher, uns durch ungeheure
Wüsten führender Reisetage fehlte es uns an Mundvorrat. Ich fing nun an zu
jagen und erlegte mehrere Tiere, die uns zur Fristung unseres Lebens sehr
nützlich waren. Da es uns an Feuer fehlte, so waren wir nahe daran, sie roh zu
essen; Aber das Bedürfnis macht erfinderisch: Meine Gefährtin sammelte trocken
Wurzeln und Blätter, während ich durch Reiben eines spitzen Stockes in dem
Loch eines anderen Stückes Holz ein baumwollenes Tuch zum Brennen brachte, und
mit diesem entzündeten wir den Haufen brennbaren Stoffes, den wir auf einen
großen weißen Stein gelegt hatten. Sobald dieser Stein gehörig durchglüht
war, legten wir unser Wildbret darauf und bedeckten dieses mit einer kleinen
Umgebung von Steinen. Wir verbrannten auf dieser Art von Dach noch viele
Wurzeln. Als wir nun dieses kleine Gebäude zerstörten, sahen wir mit
Vergnügen, dass das Fleisch ebenso gut wie in einem Ofen gekocht war, und wir
machten daraus ein köstliches Mahl. Es ist wahr, dass die Furcht vor der
Zukunft und der ungeheure Raum, der sich auf allen Seiten unseren Blicken
darbot, uns von Zeit zu Zeit zu traurigen Betrachtungen veranlassten, die wir
uns nicht mitteilen wollten.

Meine Gefährten strengte sich an, ihre Seufzer zu
ersticken und ihre Tränen zu verbergen. Ich war nicht gefasster als sie.
Inzwischen zwang mich die Lust, das Geschlecht, dessen Kleidung ich angenommen
hatte, nicht zu verleugnen, dass ich einen schein von Festigkeit annahm.

„Wir wollen dahin,“ sagte ich zu ihr,
„wohin das Schicksal uns führt. Bedenkt, dass wir in dieser Wüste wie
inmitten einer Moschee in der Hand Gottes sind.“

Zugleich stiegen wir alle beide wieder zu Pferde. Nach
einer langen Strecke sah ich in der Ferne Reisfelder, und bald verkündeten uns
sorgfältig bebaute Felder, dass Wohnungen nicht fern wären. Wir gelangten
gegen Abend in einen recht wohl gebauten Burgflecken, und meine erste Sorge war,
mich zu erkundigen, ob wir eine Wohnung finden würden, in welcher wir die Nacht
zubringen könnten.

Hierauf nahte sich uns ein ehrwürdiger Greis.
„Junger Fremdling,“ sagte er zu mir, „warum wollt Ihr in einer
Karawanserei absteigen? Mein Haus wird Euch dazu dienen, wenn Ihr die Güte
haben wollt, diesen Vorschlag anzunehmen.“

Obgleich der einfache und offene Ton dieses Greises mir
viel Zutrauen eingeflösst hatte, so befragte ich doch erst die junge
Prinzessin, die mir sagte, ich möchte tun, was ich wollte, wenn sie nur die
Erlaubnis hätte, mir zu folgen.