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636. Nacht

Myr-dschyhan kam einige Stunden nach Jussufs Abreise auf
dem Schloss an und hörte von den Dienerinnen der Prinzessin, dass diese mit dem
Prinzen entflohen wäre, worauf der erzürnte Sultan, ohne erst den Palast zu
durchsuchen, zu seinen an den Ufern des Sees lagernden Truppen eitle und mit
einem zahlreichen Heer den Prinzen von Sind verfolgte, der jedoch seine
Hauptstadt sicher erreichte. Nachdem er dem Sultan, seinem Vater, seine
Liebesabenteuer erzählt hatte, billigte dieser seine Verbindung mit der
schönen Alifa und schickte eine Gesandtschaft an Myr-dschyhan, der zu dieser
Zeit schon das Sindische Land, welches ihm keine Truppen entgegenstellte, mit
Feuer und Schwert verheerte. Er empfing die Gesandtschaft mit stolzem übermut,
befahl ihr, zu ihrem Herrn zurückzukehren und ihm zu sagen, dass er die
Verführung seiner Tochter nie vergessen würde und einen feierlichen Eid
geschworen hätte, das Königreich Sind zu verheeren, die Hauptstadt zu
schleifen und seine Augen durch das Blut des Sultans und seines Sohnes zu
weiden. Nach Empfang dieser übermütigen Antwort blieb dem Sultan und seinem
Sohn nichts übrig, als sich einem so halsstarrigen Feind zu widersetzen. Sie
sammelten ihre Truppen, bei welchen sie sehr beliebt waren, und zogen dem Feind
entgegen, den sie in einer Schlacht besiegten, in welcher Myr-dschyhan fiel. –
Es ist unmöglich, den Bestimmungen des Himmels zu entgehen. Von Gott kommen
wir, und zu Gott müssen wir zurückkehren. –

Jussuf behandelte nach der Schlacht die Besiegten mit der
größten Menschlichkeit. Er ließ den Leichnam des Sultans einbalsamieren und
auf einer prächtigen Bahre unter großer Begleitung in die Hauptstadt seines
Königreichs bringen und dort in dem Begräbnis seiner Vorfahren mit geziemendem
Pomp beisetzen. Zugleich schickte Jussuf Briefe an die Mutter der Alifa, worin
er das Schicksal des Myr-dschyhan beklagte, dem er wider seinen Willen eine
Schlacht hätte liefern müssen, und worin er seine heiße Liebe zu ihrer
Tochter zu erkennen gab, mit welcher er sich zu verbinden und die Mutter zu
trösten lebhaft wünschte.

Die Sultanin, welche befürchtet hatte, der Sieger würde
in ihr Land fallen und die Hauptstadt belagern, fühlte sich durch ein so
entgegen gesetztes Betragen in ihrem Kummer sehr erleichtert und gab ihre
Einwilligung zu einer Verbindung zwischen Jussuf und Alifa. Der Prinz von Sind
holte mit einem zahlreichen Gefolge die Prinzessin von dem Schloss nach der
Hauptstadt von Sind, woselbst nach verflossener Trauerzeit die Hochzeit mit
großem Gepräge gefeiert und der Prinz zur allgemeinen Zufriedenheit der
Bewohner des Landes zum Herrn desselben erklärt wurde.

Seine nächste Sorge war, den Kalifen Mamun, der gerade
damals Beherrscher der Gläubigen in Bagdad war, von allem Vorgefallenen zu
benachrichtigen. Sein Schreiben war von großen Geschenken begleitet, welche
nicht nur aus Geld und vielen Seltenheiten der Länder Hind und Sind, sondern
auch aus zehn Sklavinnen bestanden, die trefflich sangen, tanzten und dichteten.
Sie sagten dem Kalifen Verse vor, in denen der Wunsch, nach ihrer Heimat
zurückzukehren, so lebhaft ausgedrückt war, dass Mamun, so sehr auch ihre
Schönheit und ihr Geist ihn ergötzten, sein eigenes Vergnügen ihren
Empfindungen aufopferte und sie dem Jussuf mit einem Beamten zurücksandte, der
zugleich das Edikt mitbrachte, durch welches Jussuf im Besitz seines
neu erworbenen Landes bestätigt wurde. Lange lebten Jussuf und Alifa, umgeben
von einer zahlreichen Nachkommenschaft und von ihren glücklichen Untertanen
geliebt.“