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633. Nacht

Alifa war, obgleich widerwillig, genötigt, die
Richtigkeit dessen, was er sagte, anzuerkennen, und ergab sich in seine Abreise,
bat ihn aber, als diese vor sich ging, unter tausend Tränen und Umarmungen,
nicht lange abwesend zu bleiben. Er versprach es, und zwar mit aufrichtiger
Gesinnung, denn er leibte wahrhaft und folgte nur mit Mühe dem Ruf der Pflicht.

Jussuf schwamm, seinen Bogen und Köcher über seinen Kopf
haltend, zum zweiten Mal über den See und zu seinen Gefährten, die sich seiner
Ankunft freuten. Sein Vetter Yiah empfing ihn auf das liebreichste und
berichtete ihm alles seit seiner Abreise vom Hof Vorgefallene, worauf ihm der
Prinz sein Liebesabenteuer mit der schönen Alifa erzählte, ihn jedoch bat,
verschwiegen zu sein, so wie er auch allen Leuten ihres beiderseitigen Gefolges
bei seiner Ungnade Verschwiegenheit in Betreff seines Aufenthaltes im Schloss
befahl. Die Prinzen reisten nun nach Sind, wo sie glücklich anlangten.

Jussuf wurde mit der rührendsten Güte von seinem Vater
aufgenommen, der seine Rückkehr durch prächtige Feste feierte. Sein Einzug in
der Hauptstadt war ein wahrer Triumphzug, der ganze Hof zog ihm in vollem Pomp
entgegen, und aller Augen füllten sich mit Tränen der Rührung, als sie sahen,
wie der Sultan seinen reuigen und vielgeliebten Sohn in seine Arme drückte. Der
Monarch und die Prinzen zogen ein unter dem lauten Jubelruf des Volkes, welchem
man Gold und Silber im überfluss austeilte. Noch rührender war die
Zusammenkunft Jussufs mit seiner Mutter, deren Herz seit seiner Abreise voll der
tiefsten Betrübnis war, und die nun vor Freude des Wiedersehens beinahe
gestorben wäre.

Auch die Frauen Jussufs (er hatte deren dreiundvierzig)
waren über seien Rückkehr voll Freude und wetteiferten, ihm diese Freude zu
bezeigen. So herrschte nichts als Lust und Wonne in dem Palast, nicht aber in
dem Herzen Jussufs, der bei aller Freude, seiner Familie wiedergegeben zu sein,
doch nach seiner geliebten Alifa eine heftige Sehnsucht empfand, welche ihn
gegen die Liebkosungen seiner Frauen unempfindlich machte, so dass er keine zu
sich rufen ließ, sondern, wenn er sich abends in sein Zimmer begab, dort allein
blieb und die Nacht in Gedanken an seine Geliebte verbrachte.

Nachdem Jussuf seiner Pflicht einige ihm endlos scheinende
Tage geopfert hatte, vermochte er es nicht länger, seine Ungeduld zu bezähmen,
bestieg sein Lieblingsross, ließ einen treuen Sklaven namens Hallal hinter sich
sitzen, verließ in der Nacht den Palast des Vaters und jagte mit Windesschnelle
an das Ufer des Sees. Dort angelangt, versteckte er Sattel und Zaum seines
Pferdes im Gebüsch und gelangte nebst seinem Sklaven auf dem Ross glücklich
über den See. Die Freude der Prinzessin, ihren Geliebten wieder zu sehen, war
grenzenlos, die seine nicht geringer.

Ein Monat war schon vergangen, und Jussuf dachte noch gar
nicht daran, seine reizende Genossin zu verlassen. Endlich, am dreißigsten Tag,
erblickten Jussuf und Alifa, die auf der Terrasse des Palastes saßen und sich an
der schönen Aussicht ergötzten, ein Boot, welches sich dem Schloss näherte.
Die Prinzessin erkannte es bald als ein ihrem Vater, dem Sultan Myr-dschyhan,
gehöriges und bat ihren Geliebten, sich zu entfernen, während sie die im Boot
befindlichen Personen empfing. Jussuf begab sich nun in ein Zimmer, dessen
Fenster auf den See gingen. Durch die Gitter konnte er sehen, was am Ufer
vorging: Und wie groß war sein Erstaunen und sein Unwillen, als er einen jungen
Mann aus dem Boot steigen und der Prinzessin in die Arme stürzen sah. Sie
schien diese Umarmung mit Entzücken zu erwidern, und unter zärtlichen
Liebkosungen gingen beide in den Palast.