Project Description

630. Nacht

Dies reizte die Neugier des Kalifen, er setzte sich an den
Torweg und befahl dem Mesrur, er sollte rufen und einen Becher mit kaltem Wasser
zur Löschung des Durstes armer Reisender verlangen. Als dies geschehen war, kam
ein Sklave, betrachtete die ihm Unbekannten und meldete dem Hausherrn, dass drei
ehrsam aussehende Männer eine Erfrischung verlangt hätten, worauf ihm befohlen
wurde, sie ins Haus zu laden. Der Kalif nahm die Einladung an, wurde mit seinen
beiden Begleitern in ein prächtiges Gemach geführt und dort von einem jungen
Mann von feinem und artigem Benehmen sehr gastfreundlich empfangen und zum
Sitzen genötigt. An den vier Seiten des Zimmers war auf seidene Vorhänge mit
goldenen Buchstaben derselbe Vers gemalt, der sich an dem Torweg befand. Es
wurde nun ein köstliches Mahl aufgetragen, an welchem alle teilnahmen. Als dies
vorbei war, führte sie der junge Mann in ein anderes noch prächtigeres Zimmer,
in welchem alle Gattungen von Früchten und Wein aufgestellt waren. Zwanzig
schöne Tänzerinnen erhöhten durch Tänze, die sie je fünf und fünf
ausführten, den Genuss. Der Kalif war über den Gesang und Tanz der ersten
Abteilung so entzückt, dass er in der Entzückung seine Kleider zerriss. Man
brachte ihm andere. Die Tänze der beiden folgenden Abteilungen machten dieselbe
Wirkung auf Giafar und Mesrur und als die zwei letzten Abteilungen ihre Kräfte
versuchten, zerriss der Hausherr seine Kleider und wurde ohnmächtig. Während
seine Leute emsig waren, ihn wieder zu sich zu bringen und aufs neue
anzukleiden, sah der Kalif auf seinen Seiten und seiner Brust Striemen, die von
Peitschenschlägen herzukommen schienen. Seine Neugier war erregt, und
ungeachtet der Abmachungen Giafars drang er, als der Hausherr sich wieder erholt
hatte, in diesen, ihm die Ursache seiner Bestrafung zu erzählen. Den jungen
Mann ärgerte die Unverschämtheit eines Fremden, den er so freundlich bewirtet
hatte. „Habt Ihr,“ sagte er, „nicht die Warnung an meinem Torweg
und an meinen Wänden gelesen? Ihr verlangtet nur einen Becher mit Wasser, und
ich gab Euch ein Fest, das Ihr schlecht verdient habt; aber Ihr sollt auch Eurer
Strafe nicht entgehen!“ Giafar warf sich nun zu den Füßen des jungen
Mannes und sagte, sie wären unwissende und ungebildete Bauern von Balsora.
„Wenn das ist,“ entgegnete der junge Mann, „so entschuldige ich
Euch, und Eure schlechte Erziehung mag Euch das Wort reden. Geht in Sicherheit,
aber sucht nicht wieder, unverschämte Neugier zu befriedigen, damit euch nicht
ein weniger nachsichtiger Wirt als ich bestrafen möge.“ Der Kalif und
seine Begleiter entfernten sich; aber der erstere war kaum in seinem Palast, als
er dem Giafar befahl, Wache abzusenden, die den jungen Mann vor ihn führen und
sein Haus bis auf den Grund zerstören sollte. „Herr,“ sagte der
Wesir, „dieser Befehl ist der Würde des Beherrschers der Gläubigen nicht
geziemt und dem Vorsatz widersprechend, den Du fasstest, als wir verkleidet
unsern Gang antraten. Unser großmütiger Wirt kannte uns nicht, und wir haben
doch nun einmal die Warnung, die uns in seinem gastfreien Haus so oft vor die
Augen gestellt wurde, nicht beachtet. Wir allein sind zu tadeln und nicht
er.“ Die Leidenschaft des Kalifen wurde durch die Vorstellung des redlichen
Giafar besänftigt. Er erkannte die Gerechtigkeit seines Tadels an.
„Aber,“ setzte er hinzu, „ich muss den jungen Mann sehen und
seine Abenteuer hören.“ – „Das sollst Du,“ erwiderte Giafar und
ließ am nächsten Morgen den bewussten Hausherrn zum Kalifen rufen. Jener
folgte eilig dem Ruf, und als er nun erfuhr, dass er den Kalifen bei sich
bewirtet und gescholten hatte, unterließ er nicht, sogleich seine Neugier zu
befriedigen und ihm seine Geschichte zu erzählen.

Mundschab, so hieß der junge Mann, wurde so sehr der
Günstling des Kalifen, dass er nur irgend eine ergötzliche Geschichte zu
erzählen brauchte, um alles zu erlangen, was er wünschte.

Eines Tages, als der Kalif wieder in seine Grillen
zurückzufallen schien, erzählte er ihm folgenden Geschichte: