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599. Nacht

Es muss hier erwähnt werden, dass die vom Fischer in der
Kiste gekaufte Frau die Lieblingin des Sultans war, der ihretwegen alle seine
anderen Weiber verließ, welche nun neidisch wurden; aber die Sultanin, welche
vor der Ankunft Kut-al-Kulubs (denn so hieß sie) im Harem den Vorrang gehabt
hatte, war aufgebrachter als die übrigen und beschloss, ihre Entfernung zu
bewirken. Es fand sich dazu für sie bald eine günstige Gelegenheit, da der
Sultan eine Jagdreise von zwanzig Tagen unternahm. Einen oder zwei Tage nach
seiner Abreise lud die Sultanin Kut-al-Kulub zu einem Festmahl ein, bei welchem
sie ihr mit einem Schlaftrunk gemischten Sorbet zu trinken gab. Die
beabsichtigte Wirkung erfolgte augenblicklich, die Sultanin legte die fest
Entschlafene in eine Kiste und übergab sie einem Makler, der sie für hundert
Dinare verkaufen sollte, wobei sie die Hoffnung hegte, dass jeder Käufer von
den Reizen Kut-al-Kulubs so bezaubert würde, um sein Glück im geheimen zu
genießen, und dass sie so, ohne einen Meuchelmord zu begehen, eine
Nebenbuhlerin los würde.

Als der Sultan von seiner Jagd heimkehrte, fragte er
gleich bei seinem Eintritt in den Palast nach seiner Lieblingin, worauf die
Sultanin mit verstellter Betrübnis sagte: „Ach, Herr, die schöne und
zärtliche Kut-al-Kulub vermochte die Qualen der Trennung von Dir nicht zu
ertragen. Drei Tage nach Deiner Abreise erkrankte sie, und nachdem sie sieben
Tage lang geschmachtet hatte, wurde sie in die Gnade des Schöpfers
aufgenommen.“ Der Sultan verfiel, als er dies vernahm, in heftige
Verzweiflung und rief aus: „Nur bei Gott ist Hilfe, von Gott kamen wir, und
zu Gott müssen wir zurückkehren!“ Er war voll Betrübnis und brachte die
ganze Nacht in Schwermut zu. Am Morgen ließ er seinen Wesir rufen und befahl
ihm, am Ufer des Flusses eine passende Stelle zur Errichtung eines Gebäudes
aufzusuchen, in welchem er zurückgezogen leben und seiner geleibten
Kut-al-Kulub gedenken könnte.

Der Wesir erwiderte: „Dein Wille ist mir
Gesetz!“ und suchte eine angenehme Stelle aus, auf welcher nach seinem
Befehl ein Baumeister einen Raum von hundert Fuß Länge und siebzig Fuß Breite
für das verlangte Gebäude abstecken sollte. Das nötige Bauzeug, Marmor und
andere Steine wurden schnell zugeführt, und der Bau, über welchen der Minister
selber zwei Tage lang die Aufsicht führte, begann. Am dritten kam der Sultan,
um den Fortschritt des Baues zu sehen. Er war mit dem Plan zufrieden und fand
ihn sehr schön, aber solch ein Gebäude nur wert, der Aufenthalt Kut-al-Kulubs
zu sein, worauf er bitterlich weinte. Der Wesir sagte, als er den Sultan so
betrübt sah: „Herr! Gedenke der Worte des Weisen: Sei mäßig im Glück
und im Unglück geduldig.“

Der Sultan versetzte: „Es ist wahr, o Wesir, dass
Entsagung preiswürdig und Ungeduld tadelnswert ist, denn ein Dichter hat
richtig gesagt: „Sei ruhig im Missgeschick, denn nur Ruhe kann Dich der
Gefahr entziehen. Oft folgt der Betrübnis Freude und auf Unruhe Ruhe.“ –
Aber ach, die menschliche Natur kann nicht fühllos sein, und Kut-al-Kulub war
mir so teuer und ergötzte meine Seele so sehr, dass ich fürchte, nie eine
andere Geliebte zu finden, die ihr an Schönheit und Trefflichkeit
gleichkommt.“ Der Wesir tröstete seinen Gebieter und brachte ihn endlich
dahin, dass er sein Unglück mit einer Art von Entsagung ertrug.

Der Sultan und der Wesir gingen täglich hin und sahen den
Fortschritt des neuen Gebäudes, von welchem sich die Nachricht in der ganzen
Stadt verbreitete und endlich auch zu Kut-al-Kulub gelangte, die zu dem Fischer
sagte: „Wir geben täglich unser Geld aus und nehmen nichts ein: Wie
wär’s, wenn Du Beschäftigung bei dem Gebäude suchst, welches der Sultan
errichten lässt? Man sagt, er sei freigebig, und Du kannst vielleicht Vorteil
aus seiner Freigebigkeit ziehen.“ Der Fischer erwiderte: „Meine teure
Gebieterin, wie könnte ich die geringste Abwesenheit von Euch ertragen?“,
denn er liebte sie; und sie, die es bemerkte, fürchtete oft, dass er ihr seine
Liebe auf rohe Weise zu erkennen geben möchte: Aber die Erinnerung an das, was
er durch die Tochter des Kaufmanns erlitten hatte, machte ihn vorsichtig. Sie
versetzte: „Liebst Du mich wirklich?“ – „Kannst Du daran
zweifeln?“, entgegnete er, „Du bist mein Leben und meiner Augen
Licht!“ – „Wenn das wirklich der Fall ist,“ rief sie aus,
„so nimm dieses Halsband, und wenn Du bei der Arbeit an mich denkst, so
betrachte es, und es wird Dich bis zu Deiner Heimkehr trösten.“