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593. Nacht

Der Kalif wandte sich hierauf zu der Frau und sagte:
„Du hast seine Erklärung gehört. Willigst Du darein, wieder mit ihm zu
leben?“ – „Beherrscher der Gläubigen,“ versetzte sie, „man
sagt, dass der Lauf der Himmel und die Charaktere der Menschen sich niemals
ändern, und dass üble Gewohnheiten mit dem Leben aufhören. Dessen ungeachtet
will ich’s noch einmal mit ihm versuchen, wenn er sich schriftlich verpflichtet,
mir im Fall einer üblen Behandlung Genugtuung zu geben.“ Der Kalif ließ
eine solche Verschreibung aufsetzen, die er selbst als Zeuge unterschrieb; und
da er den Kadi für hinlänglich bestraft achtete, so machte er ihn zum
Oberrichter einer angesehenen Stadt in Irak-Arabi.


Geschichte des Opiumessers und des Kadis

Es lebte in einer Stadt ein dem Genuss des Opiums sehr
ergebener Mann, der seinen Lebensunterhalt durch Fischen gewann. Wenn er
verkauft hatte, was er gefangen, so kaufte er für einen teil des eingenommenen
Geldes die nötige Kost und für den andern Opium, womit er sich erquickte, bis
er berauscht wurde: Und das war einen Tag wie den andern der Fall. Als er einen
Abends noch mehr als gewöhnlich zu sich genommen hatte, waren seine Sinne
ungewöhnlich abgestumpft, und in diesem Zustand kam er aus seiner Wohnung herab
auf den Marktplatz. Es war gerade Vollmond, und dieser schien so hell, dass der
Opiumesser in der Verwirrung seines Kopfes den Mondschein auf dem
Straßenpflaster für Wasser hielt und sich einbildete, er befände sich am Ufer
eines Flusses. Er ging in seine Wohnung zurück und holte sich seine Angel, um
mitten auf dem Markt zu fischen.

Er warf seine Angelschnur aus, die von starkem Bindfaden
war, und hatte an den Angelschnur aus, die von starkem Bindfaden war, und hatte
an den Angelhaken mehrere Fleischköder befestigt, als ein sehr großer Hund
einen dieser Köder verschlang und, da der Haken ihm die Kehle verletzte, stark
an der Schnur zog. Der Opiumesser, der einen großen Fisch gefangen zu haben
glaubte, zog aus Leibeskräften, aber vergebens. Der Hund, dem der Haken große
Schmerzen verursachte, heulte grässlich, und der Opiumesser, welcher seine
Beute nicht fahren lassen wollte und in den vermeintlichen Fluss zu fallen
fürchtete, schrie laut um Hilfe. Die Wache kam, ergriff ihn und führte ihn, da
sie ihn berauscht fand, gebunden zum Kadi.

Dieser Kadi pflegte sich oft selbst im geheimen durch
Opium zu ergötzen. Als er nun den berauschten Fischer sah, fühlte er Mitleid
mit ihm, befahl, ihn in ein Zimmer zu bringen, wo er seinen Rausch verschlafen
konnte, und sagte zu sich selbst: „Das ist ein Mann nach meinem Herzen, und
morgen Abend will ich mich mit ihm ergötzen.“ Man gab auf den Mann den Tag
über wohl acht, und abends ließ ihn der Kadi in sein Zimmer holen, woselbst
nach dem Essen jeder von beiden eine starke Dosis Opium zu sich nahm. Die
Wirkung folgte schnell, und sie begannen zu singen, zu tanzen und tausend tolle
Streiche zu begehen.

Der Lärm, welchen sie machten, zog die Aufmerksamkeit des
Sultans auf sich, der mit seinem Wesir, beide als Kaufleute verkleidet, die
Stadt durchstreifte. Da sie die Türen offen fanden, gingen sie in das Haus und
fanden den Kadi und den Opiumesser auf dem Gipfel ihrer Lustigkeit. Endlich,
nach manchen lächerlichen Possen, warf sich der Fischer in die Brust und sagte:
„Ich bin der Sultan!“ – „Und ich,“ setzte der Kadi hinzu,
„ich bin der Pascha!“ – „Pascha,“ fuhr der Fischer fort,
„weißt Du wohl, dass ich Dir, wenn ich Lust habe, den Kopf abschlagen
kann?“ – „Ich weiß es,“ erwiderte der Kadi, „aber jetzt bin
ich des Enthauptens nicht wert, gib mir eine reiche Statthalterschaft, dass es
sich der Mühe verlohnt, mich zu bestrafen.“ – „Du sprichst
wahr,“ sagte der Fischer, „bevor ich Dich töte, muss ich Dich
mästen.“

Der Sultan lachte über ihre Tollheiten und sagte zu dem
Wesir: „Ich will mich morgen Abend mit diesen lustigen Käuzen
ergötzen.“ stand sodann auf und entfernte sich mit seinem Minister.

Am nächsten Abend berauschten sich der Kadi und der
Fischer aufs neue, und auch der Sultan erschien wieder nebst dem Wesir, jedoch
in anderen Verkleidungen. Sie brachten ein starkes Konfekt von Opium mit,
welches sie ihren Wirten anboten, die gierig davon aßen und nun toller wurden
als je. Endlich sagte der Fischer, sich spreizend: „Der Sultan ist
abgesetzt, ich bin Herrscher an seiner Stelle!“ – „Wenn Dich der
Sultan nun hörte?“, sagte der Fürst. „Widersetzt er sich mir,“
rief der Fischer aus, „So will ich meinem Pascha befehlen, ihm den Kopf
abzuschlagen. Dich will ich aber wegen Deiner unverschämten Frage sogleich
bestrafen.“ Er rannte nun auf den Sultan zu und packte ihn bei der Nase,
indem der Kadi zu gleicher Zeit den Wesir angriff, und beide Angegriffenen
konnten nur mit Mühe aus dem Hause entwischen.