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582. Nacht

Wir kehren nun zu den Prinzessinnen und ihrer Mutter
zurück. Als der Sultan von Kairo ihre Abenteuer hörte, bemitleidete er ihr
Unglück, war über die Standhaftigkeit, womit sie es ertragen hatten, sehr
gerührt und sagte zu dem Wesir: "Wie traurig war doch ihr Los! Aber Allah
sei gepriesen, der, so wie er Freunde trennt, sie auch wieder glücklich zu
vereinigen vermag." Er ließ sodann die Sultanin und die Prinzessinnen in
seinen Palast führen, sorgte für eine ihrem Rang angemessene Dienerschaft und
Wohnung und sandte Eilboten an den Sultan, ihren Vater, um ihn von ihrem
Wohlbefinden zu benachrichtigen. Die Boten reisten möglichst schnell und
überreichten, in der Hauptstadt angekommen, die Schreiben. Der Sultan öffnete
sie und begann zu lesen. Als ihm aber der Inhalt klar wurde, war er so voll
Freude, dass er einen Schrei des Entzückens ausstieß, auf den Boden fiel und
ohnmächtig wurde. Seien Diener waren sehr bestürzt, hoben ihn auf und wandten
Mittel zu seiner Erweckung an. Als er nun aus seiner Ohnmacht erwacht war,
erzählte er seinen Leuten, dass die Sultanin und seine Töchter noch lebten,
und befahl, ein Schiff zu ihrer Heimholung segelfertig zu machen.

Das Schiff, mit allem für die Bequemlichkeit der Familie
Nötigen und mit reichen Geschenken für den freundlichen Sultan, der sie in
Schutz genommen hatte, beladen, segelte mit günstigem Wind ab und gelangte
schnell in den ersehnten Hafen.

Der Befehlshaber des Schiffes wurde von dem Sultan sehr
willkommen geheißen, der ihn und seine ganze Mannschaft auf königliche Kosten
zu verpflegen befahl; und nach drei Tagen nahm die Sultanin mit ihren Töchtern,
voll Sehnsucht, nach so langer und so unglücklicher Abwesenheit heimzukehren,
Abschied und schiffte sich ein. Der Sultan machte ihnen ein kostbares Geschenk,
und sie gingen bei frischem Wind unter Segel. Drei Tage hindurch bleib das
Wetter günstig, aber am Abend des dritten erhob sich ein ungünstiger Wind,
weshalb sie die Segel einzogen und ankerten. Der Sturm wurde jedoch so heftig,
dass das Ankertau zerriss, die Maste über Bord fielen und das Schiffsvolk sich
verloren gab. Das Schiff wurde bis Mitternacht vom Sturm hin- und hergeworfen,
bis es endlich unter dem Geheul und Geschrei aller an Bord befindlichen Personen
an einem Felsen scheiterte. Wem der Tod bestimmt war, der starb. Wessen
längeres Leben die Vorherbestimmung Gottes angeordnet hatte, der gelangte ans
Ufer, einige auf Brettern, einige auf Kisten und andere auf Schiffstrümmern,
aber alle voneinander getrennt.

Die Sultanin Mutter wurde bis Tagesanbruch auf einem Brett
hin- und hergeworfen, als der Befehlshaber des Schiffes, der sich mit drei
Personen seiner Mannschaft auf das Boot gerettet hatte, sie gewahrte. Er nahm
sie auf, und nachdem sie drei Tage gerudert hatten, erreichten sie eine
gebirgige Küste, an welcher sie landeten und vorwärts ins Land gingen. Es ist
unmöglich, das Wiedersehen des Sultans mit seiner Gattin zu schildern, aber
ihre Freude wurde durch die Ungewissheit über das Schicksal ihrer Töchter sehr
getrübt. Als die ersten Entzückungen vorüber waren, weinten sie miteinander
und riefen aus: "Wir sind von Gott, und zu Gott müssen wir
zurückkehren!" Nach vierzigtägiger Reise gelangten sie in ihre
Hauptstadt, immerfort über das Geschick der Prinzessinnen betrübt.
"Ach," sagte sie, "ach, sie sind ertrunken. Aber selbst, wenn sie
ans Ufer gelangten, sind sie vielleicht voneinander getrennt, und ach! Was für
traurige Zufälle können ihnen begegnet sein!" So klagten sie, in Gram
versunken, immer zusammen und nahmen keinen Anteil an den Freuden des Lebens.

Die jüngste Prinzessin wurde, nachdem sie sich im Kampf
mit den Wellen fast gänzlich erschde, nachdem sie sich im Kampf
mit den Wellen fast gänzlich erschöpft hatte, glücklicherweise an eine
freundliche Küste geworfen, auf welcher sie einige treffliche Früchte und
klares frisches Wasser fand. Als sie sich gestärkt und erfrischt hatte, ruhte
sie ein Weilchen aus und ging sodann von der Bucht in das Land. Sie war noch
nicht weit gegangen, als ein junger Mann zu Pferd, von einigen Hunden begleitet,
ihr begegnete und sie, nachdem er gehört hatte, dass sie eine aus dem
Schiffbruch Gerettete wäre, vor sich aufs Pferd nahm, sie in sein Haus brachte
und sie dort der Pflege seiner Mutter übergab. Diese nahm sie mit mitleidiger
Güte auf und pflegte sie einen ganzen Monat hindurch auf das sorgfältigste,
bis sie nach und nach ihre Gesundheit und ihre Schönheit wieder erhielt.

Der junge Mann war der gesetzmäßige Erbe des
Königreichs, aber ein Usurpator hatte ihm die Thronfolge geraubt. Da dieser
jedoch bald nach der Ankunft der Prinzessin starb, wurde er in seine Rechte
wieder eingesetzt und gelangte auf den Thron, worauf er der Prinzessin seine
Hand anbot. Sie aber erwiderte: "Wie kann ich an eine Heirat denken,
solange ich nichts von meiner unglücklichen Familie weiß, oder der Ruhe
genießen, während meine Mutter und meine Schwestern vielleicht im Elend leben?
Sobald ich Nachrichten von ihrem Wohlergehen erhalte, will ich mich meinem
Befreier dankbar beweisen."

Der junge Sultan war so sehr in die Prinzessin verliebt,
das auch die entfernteste Hoffnung ihn tröstete, und er suchte sich in Geduld
zu fassen; aber der Adel des Landes war ungeduldig, ihn vermählt zu sehen, und
drang in ihn, dass er sich verheiraten sollte. Er versprach, sich ihren
Wünschen zu fügen; aber da zu viel Zeit verstrich, so wurden die Großen des
Reiches andringlich und unzufrieden, so dass seine Mutter, die einen Aufruhr
befürchtete, die Prinzessin ernstlich bat, in eine Verbindung zu willigen, die
das einzige Mittel wäre, um Unruhen vorzubeugen. Die Prinzessin, welche ihren
Erhalter wahrhaft leibte, wollte die Sicherheit eines Mannes, dem sie so sehr
verpflichtet war, nicht gefährdet sehen und gab endlich ihre Einwilligung,
worauf dann die Heirat mit großer Pracht und Freude gefeiert wurde. Nach drei
Jahren gebar die Sultanin zwei Söhne, deren Geburt das Glück der Verbindung
noch vermehrte.