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567. Nacht

Bei Tagesanbruch verließ ich das Haus meines
Schwiegervaters, verfügte mich in meinen Laden, den ich öffnete, und setzte
mich mit sehr bekümmerten Gemüt und mit wie von einem Rausch betäubten Haupt
nieder, als plötzlich die Dame erschein, die mir einen so abscheulichen Streich
gespielt hatte. Sie trat ein und grüßte mich mit dem gewöhnlichen Gruß. Ich
war wütend, schalt und fragte sie, warum sie mich so schändlich hintergangen
hätte, worauf sie erwiderte: „Elender, gedenke des Tages, an welchem ich
Dir ein Päckchen brachte, und wo Du mich zum Dank dafür ergriffst, schlugst,
schaltest und mit Verachtung fortjagtest. Zur Widervergeltung einer solchen
Behandlung habe ich mich dadurch gerächt, dass ich Dir eine so liebliche Braut
verschaffte.“ Ich fiel ihr nun zu Füßen, flehte um ihre Vergebung und gab
ihr meine Reue zu erkennen, worauf sich mich anlächelte und sagte:
„Beruhige Dich, ich will Dich aus der Klemme befreien, in die ich Dich
gebracht habe. Geh zu dem Aga der Lederbereiter, gib ihm eine Summe Geld und
verlange von ihm, dass er Dich Sohn nenne. Sodann begib Dich mit ihm, seinen
Dienern und Musikanten in das Haus des Oberrichters. Wenn er nach der
Veranlassung dieses Besuches fragt, so lass den Aga sagen: „Herr, wir
kommen, um Deinem Schweigersohn, der mein liebes Kind ist, wegen der
Verheiratung mit Deiner Tochter Glück zu wünschen und uns mit ihm zu
ergötzen.“ Der Richter wird in Wut geraten und sagen: „Hund, ist es
möglich, dass Du, der Du nur ein Lederbereiter bist, es wagen kannst, die
Tochter des Oberrichters zu heiraten?“ Antworte Du hierauf: „Herr, es
war mein Ehrgeiz, durch Eure Verwandtschaft geadelt zu werden, und da ich die
Tochter Eurer Herrlichkeit geheiratet habe, wird die gemeine Benennung eines
Lederbereiters bald vergessen und in dem Titel Eures Schwiegersohnes erloschen
sein. Ich werde unter Eurem Schutz befördert, von dem Geruch der Gerberlohe
gereinigt, und meine Kinder werden süß duften.“

Ich tat, wie die Schöne mir befahl, und nachdem ich das
Oberhaupt der Lederbereiter bestochen hatte, begleitete er mich mit seiner Zunft
und einer großen Anzahl Musikanten und Sänger zu dem Haus meines
Schwiegervaters, vor welchem sie mit großem Lärm zu singen und zu tanzen
begannen, indem ein jeder dann und wann ausrief: „Lange lebe unser edler
Verwandter! Lange lebe der Schwiegersohn des Oberrichters!“

Dieser fragte nach der Ursache dieses jubelnden
überfalls, worauf ich ihm erwiderte, es wären meine Verwandten, die mir zu der
Verbindung mit seinem glorreichen haus Glück wünschen und ihm für die Ehre
danken wollten, welche er in meiner Person der ganzen Zunft der Lederbereiter
erwiesen hätte.

Als der Oberrichter dies hörte, geriet er in heftige Wut
und schalt mich. Da er jedoch bedachte, dass ohne meine Einwilligung die
vermeintliche seinem Haus widerfahrene Schmach nicht getilgt werden könnte, so
beruhigte er sich und bot mir Geld, damit ich mich von seiner Tochter scheiden
ließe. Ich stellte mich anfangs, als wollte ich nicht, und gab erst nach einer
Weile seinen ernstlichen Bitten nach, nahm vierzig Beutel mit Gold, die er mir
gab, damit ich mein missgestaltetes Weib verstoßen möchte, und kehrte mit
erleichtertem Herzen heim.

Am folgenden Tag kam die Schöne wieder in meinen Laden.
Ich dankte ihr, dass sie mich von meiner lächerlichen heirat wieder frei
gemacht hätte, und bat sie, mich zum Mann zu nehmen. Sie gab ihre Einwilligung
dazu, meinte aber doch, sie wäre von zu niedriger Geburt für mich, da ihr
Vater nur ein Koch wäre, obschon ein vortrefflicher und sehr reich. Ich
erwiderte, dass, wenn er auch ein Lederbereiter wäre, ihre Reize doch einen
Thron zieren würden. Kurz, Herr, wir heirateten uns und lebten glücklich bis
auf den heutigen Tag. Das ist meine Geschichte, aber sie ist minder erstaunlich
als die des Weisen und seines Schülers, deren Abenteuer, die ich Dir nun
erzählen will, zu den Wundern unserer Zeit gehören.