Project Description

564. Nacht

Als ich nach Verlauf mehrerer Monate eines Tages in meinem
Laden saß, kam ein junges Mädchen die Straße herauf, welches das aus Juwelen
und Perlen verfertigte Abbild eines Hahnes trug. Sie bot es den Kaufleuten zum
Kauf an. Diese stiegen in ihrem Gebot von fünfhundert bis zu
neunhundertundfünfzig Dinaren, was ich alles stillschweigend beobachtete und
weder mit bot, noch sonst etwas sprach.

Endlich kam das Mädchen an mich heran und sagte:
„Herr, alle diese Kaufleute haben sich um den Besitz meines kostbaren
Spielzeuges überboten, nur Ihr habt weder geboten, noch Euch sonst um mich
bekümmert.“ – „Ich kann das Spielzeug nicht brauchen,“ versetzte
ich. „Ei,“ rief sie aus, „Ihr müsst doch etwas mehr als die
anderen darauf bieten.“ – „Wenn ich muss,“ erwiderte ich,
„nun so will ich fünfzig Dinare mehr geben, was gerade tausend
beträgt.“

Sie nahm das Gebot an, und ich ging in meinen Laden, um
das Geld zu holen, indem ich beschloss, den Hahn meiner Frau zu schenken in der
Voraussetzung, dass ihr dieses Geschenk Vergnügen machen würde.

Als ich dem Mädchen das Geld bezahlen wollte, weigerte
sie sich, es zu nehmen, und sagte, sie verlangte nichts für das Kleinod als die
Erlaubnis, mich auf die Wange küssen zu dürfen. Ich dachte bei mir selbst:
„Ein einziger Kuss auf die Wange ist ein geringer Preis für den Wert von
tausend Dinaren,“ und ich willigte ein, worauf sie auf mich zukam und mir
einen Kuss gab, aber zu gleicher Zeit mich heftig biss, das Kleinod zurückließ
und sich eilig davonmachte.

Am Abend begab ich mich in das Haus meiner Gattin und fand
die alte Frau wie gewöhnlich an dem bestimmten Platz. Sie verband mich mit dem
Schnupftuch und band es mir wieder ab, als wir zu Hause waren. Ich fand meine
Frau auf ihrem goldenen Sessel sitzend, aber in Scharlach gekleidet und mit
verdrießlichem Gesicht, worauf ich zu mir selbst sagte: „Gott gebe, dass
alles glücklich enden möge!“

Ich nahte mich ihr, zog das mit Rubinen und Diamanten
besetzte Kleinod hervor (wähnend, dass bei seinem Anblick ihre üble Laune
schwinden würde) und sagte: „Meine Liebe, nimm dies, es ist hübsch, und
ich habe es für Dich gekauft.“

Sie nahm es in die Hand, besah es von allen Seiten und
rief aus: „Hast Du das wirklich für mich gekauft?“ – „Beim
Himmel,“ versetzte ich, „ich kaufte es Dir zuliebe um tausend
Dinare.“ Hierauf sah sie mich zürnend an und sagte: „Was bedeutet die
Wunde auf Deiner Wange?“ Ich wollte vor Verwirrung vergehen.