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563. Nacht

Ich verließ sie und begab mich zu meiner Mutter, die ich
in großer Traurigkeit und bitter über meine Abwesenheit weinend fand. Als sie
mich gewahrte, lief sie mir entgegen und umarmte mich mit Freudentränen. Ich
sagte: „Weine nicht, meine gute Mutter, denn meiner Abwesenheit verdanke
ich das höchste Glück.“ Ich erzählte ihr nun mein glückliches
Abenteuer, worauf sie ausrief: „Allah schütze Dich, mein Sohn! Aber
besuche mich mindestens alle zwei Tage, damit meine Liebe zu Dir befriedigt
werde.“ Ich ging hierauf in meinen Laden, beschäftigte mich dort wie
gewöhnlich, bis es Abend wurde und ich an den bestimmten Platz ging, wo ich die
alte Frau fand, die mir wie früher die Augen verband und mich in den Palast
meiner Frau führte, welche mich auf das zärtlichste empfing.

Dies Kommen und Gehen dauerte drei Monate auf gleiche
Weise fort. Ich konnte jedoch den Wunsch nicht unterdrücken, zu wissen, wen ich
geheiratet hatte, und mich über den Reichtum, den Glanz und das zahlreiche
Gefolge, wovon sie umgeben war, nicht genug wundern.

Endlich fand ich eine Gelegenheit, mit einer ihrer
schwarzen Sklavinnen allein zu sein, und ich befragte sie über ihre Gebieterin.
„Herr,“ antwortete sie, „die Geschichte der Gebieterin ist
wundervoll; aber ich wage es nicht, sie zu erzählen, weil ich fürchte, sie
möchte mich deshalb umbringen lassen.“ Hierauf gab ich ihr die
Versicherung, dass, wenn sie mir die Geschichte erzählte, niemand sie von mir
erfahren sollte. Ich bekräftigte diese Versicherung durch einen Eid, und sie
begann wie folgt:

„Meine Gebieterin ging eines Tages in ein
öffentliches Bad mit der Absicht, sich zu ergötzen, weshalb sie eine Menge
seltenen und köstlichen Mundvorrats mitnahm, nach dem Bad einen Garten besuchte
und dort einen trefflichen Imbiss zum Besten gab. Hier erlustigte sie sich nun
bis zum Abend und gab sodann Befehl, alles Nötige zur Heimkehr zu bereiten und
die überbleibsel des Imbisses an die Armen zu verteilen. Bei dieser Heimkehr
kam sie durch die Straße, in welcher Ihr Euren Laden habt. Es war an einem
Freitag, und Ihr saßt in Eurem besten Anzug vor Eurer Tür mit einem Freund,
mit dem Ihr Euch unterhieltet. Sie sah Euch, und ihr Herz entbrannte in Liebe,
was aber niemand bemerkte. Sie hatte jedoch kaum ihren Palast erreicht, als sie
niedergeschlagen und schwermütig wurde und keine Esslust mehr hatte. Endlich
legte sie sich zu Bett, aber sie konnte nicht einschlafen, verlor ihre Farbe und
wurde sehr schwach. Ihre Mutter ging deshalb, einen Arzt zu holen, damit er
untersuchte, was die Ursache von der Krankheit ihrer Tochter wäre; aber sie
begegnete unterwegs einer arzneikundigen Frau, mit welcher sie nach Hause
zurückkehrte.

Nachdem die Frau der Kranken an den Puls gefühlt und sie
um Verschiedenes befragt hatte, so merkte sie wohl, dass kein leibliches übel
sie krank machte, sondern ihre Krankheit Liebe wäre. Sie scheute sich jedoch,
ihren Verdacht vor der Mutter auszusprechen. Sie empfahl sich und sagte:
„Mit Gottes Hilfe wirst Du bald wieder hergestellt sein. Ich werde morgen
wiederkommen und ein unfehlbares Heilmittel mitbringen.“

Sie nahm hierauf ihre Mutter beiseite und sagte zu ihr:
„Teuerste Frau, zürne nicht über meine Bemerkung, aber Deine Tochter
leidet an keinem leiblichen übel: Sie ist verliebt und nur durch die
Vereinigung mit dem Geliebten zu heilen.“

Sobald die alte Frau fort war, begab sich die Mutter zu
ihrer Tochter, und nach zwanzig Tagen beständigen Leugnens und mit vieler Mühe
(denn die Züchtigung meiner Gebieterin war verletzt) drang sie ihr eine
Beschreibung Eurer Person und Eurer Wohnung ab, worauf sei sich gegen Euch auf
die bewusste Weise benahm, Euch hierher brachte, und nun erfolgte, was Ihr
wisst. – Das ist ihre Geschichte,“ fuhr die schwarze Sklavin fort,
„die Ihr niemand erzählen dürft.“ – „Das werd‘ ich auch
nicht,“ erwiderte ich und fuhr hierauf fort, mit meiner Frau sehr
glücklich zu leben, täglich meine Mutter zu besuchen, mich in meinem Laden zu
beschäftigen und abends wie gewöhnlich, von meiner Schwiegermutter geleitet,
heimzukehren.